Das Leben mit einer Behinderung kann im Alltag viele Hürden und Herausforderungen mit sich bringen. Auch finanzielle Belastungen können das Leben von schwerbehinderten Menschen erschweren. Die Beantragung eines Grades der Behinderung und im Anschluss eines Schwerbehindertenausweises ist eine Möglichkeit, um die Nachteile im Alltag sowie die finanziellen Mehrbelastungen auszugleichen oder zumindest abzumildern.

Dieser Artikel informiert Sie, wann Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis besteht, welche Vorteile er bringen kann und wie man ihn beantragt.

Das Wichtigste in Kürze

Um einen Schwerbehindertenausweis beantragen zu können, ist zuvor die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 notwendig. Der Grad der Behinderung kann zwischen 20 und 100 liegen und steht für die Beeinträchtigung, die durch die Behinderung im Alltag entsteht. Sowohl der Grad der Behinderung als auch der Schwerbehindertenausweis können beim zuständigen Versorgungsamt beantragt werden, bzw. in der im Bundesland zuständigen Behörde.

Die Schwerbehindertenausweise sehen aus wie Scheckkarten und enthalten alle wichtigen Informationen zum Behindertenstatus sowie zur zuständigen Behörde. Mit einem Schwerbehindertenausweis können je nach Art und Grad der Behinderung sowie der anerkannten Merkzeichen verschiedene Vorteile in Anspruch genommen werden.

Was ist eine Schwerbehinderung?

Eine Behinderung kann aufgrund von körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen sowie durch Beeinträchtigungen der Sinnesorgane, wie Blindheit, Taubheit oder Gleichgewichtsstörungen, entstehen. Es gibt Behinderungen, die schon von Geburt an vorhanden sind, andere entstehen im Laufe des Lebens, beispielsweise durch Unfälle oder schwere chronische Erkrankungen, die körperlicher oder psychischer Art sein können. Wann eine Schwerbehinderung vorliegt, ist im neunten Sozialgesetzbuch in Paragraf 2 definiert. Hier heißt es, dass eine Schwerbehinderung dann vorliegt, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt.

Was ist der Grad der Behinderung?

Wichtig für die Festlegung, ob eine Schwerbehinderung vorliegt, ist der Grad der Behinderung (kurz: GdB). Der GdB ist das Maß dafür, inwieweit die Teilhabe in allen Lebensbereichen durch die Behinderung beeinträchtigt ist. Anders ausgedrückt: Der GdB sagt aus, wie sehr ein Mensch mit Behinderung in seinem täglichen Leben eingeschränkt ist im Vergleich zu einem Menschen ohne Behinderung gleichen Alters.

Was ist ein Schwerbehindertenausweis?

Wenn eine Schwerbehinderung festgestellt wurde, d.h. wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt, kann im Anschluss ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden. Er ist aus Plastik und ist so groß wie eine Scheckkarte. Der Schwerbehindertenausweis enthält folgende Angaben:

  • Den vollständigen Namen und das Geburtsdatum des Inhabers
  • Das Geschäftszeichen
  • Die Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises
  • Die Angaben zur Ausstellungsbehörde
  • Den Grad der Behinderung (zwischen 20 und 100)
  • Eine englische Übersetzung des Schwerbehindertenausweises
  • Auf Wunsch kann der Schwerbehindertenausweis mit Passfoto des Inhabers ausgestellt werden
  • Ggf. ein Merkzeichen

Welche Merkzeichen gibt es im Schwerbehindertenausweis?

Bei der Beantragung einer Schwerbehinderung wird auch geprüft, ob die Voraussetzungen für die Vergabe von sogenannten Merkzeichen erfüllt sind. Die Merkzeichen werden auf dem Schwerbehindertenausweis vermerkt und ermöglichen die Inanspruchnahme von bestimmten Vorteilen. Es gibt die folgenden Merkzeichen:

G: Erhebliche Gehbehinderung

aG: Außergewöhnlich gehbehindert

B: Begleitung erforderlich

Bl: Blind

Gl: Gehörlos

H: Hilflos

RF: Befreiung oder Ermäßigung von Rundfunkgebühren

TBl: Taubblind

Wer hat Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis?

Ein Schwerbehindertenausweis kann beantragt werden, wenn der GdB mindestens 50 beträgt. Dabei ist es unerheblich, ob die Behinderung körperlicher, seelischer oder geistiger Natur ist oder ob die Beeinträchtigung in den Sinnesorganen liegt. Ausschlaggebend ist, dass die Gesundheitsstörung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vorhanden ist. Normale Alterungserscheinungen werden nicht als Behinderung anerkannt.

Für welche Krankheiten gibt es Schwerbehinderung?

Die versorgungsmedizinischen Grundsätze sind die Grundlage für die Feststellung, ob ein Grad der Behinderung, bzw. eine Schwerbehinderung vorliegt. Darin enthalten ist eine lange Liste mit Erkrankungen und ihren unterschiedlichen Schweregraden sowie Empfehlungen für die Festlegung des GdB.

Wenn ein Grad der Behinderung, bzw. eine Schwerbehinderung vom zuständigen Amt festgestellt wurde, enthält der Bescheid in den meisten Fällen eine zeitlich beschränkte Gültigkeit. Das wird auch Heilungsbewährung genannt. In der Regel wird die Gültigkeit des GdB oder des Schwerbehindertenausweises auf fünf Jahre beschränkt. Vor Ablauf der Gültigkeit kann ein neuer Antrag beim zuständigen Versorgungamt gestellt werden.

Gut zu wissen!

Die Empfehlungen in den versorgungsmedizinischen Grundsätze sind nicht bindend bei der Festlegung eines GdB. Es sind Anhaltswerte, die bei der Beurteilung des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Diese Liste enthält Beispiele für Krankheiten, die in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen die Empfehlung für einen GdB von mindestens 50 haben. Das heißt, folgende Krankheiten könnten nach Prüfung des Einzelfalls die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises ermöglichen:

  • Lungenerkrankungen, die Atemnot bereits bei leichter Belastung auslösen
  • Herzerkrankungen, die die Herzleistung bereits bei leichter Belastung einschränken
  • Schwere Form von Bluthochdruck
  • Periphere arterielle Verschlusskrankheit mit Schmerzen in den Beinen bereits nach dem Gehen einer kurzen Wegstrecke
  • Diabetes mellitus mit aufwendiger Insulintherapie
  • Rheuma, mittlere und schwere Verläufe
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen mit schwereren Auswirkungen, z.B. Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa
  • Dauerhafter künstlicher Darmausgang
  • Völlige Harninkontinenz
  • Krebserkrankungen, z.B. nach der Entfernung von Darmtumoren
  • Organtransplantationen, z.B. nach einer Nierentransplantation
  • Taubheit
  • Blindheit

Was sind die Vorteile mit einem Schwerbehindertenausweis?

Mit dem Grad der Behinderung, bzw. mit dem Schwerbehindertenausweis sollen Nachteile im Alltag sowie finanzielle Mehrbelastungen ausgeglichen, bzw. abgemildert werden, die Menschen mit Behinderung im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung haben. Das nennt man auch Nachteilsausgleich. Es gibt eine ganze Reihe an Vorteilen und Vergünstigungen, die sich durch den Besitz eines Schwerbehindertenausweises ergeben. Jedoch stehen sie nicht allen Besitzern automatisch zu. Ob die Nachteilsausgleiche in Anspruch genommen werden können, hängt in der Regel von der Art und dem Grad der Behinderung sowie von den Merkzeichen ab. Diese Tabelle zeigt einige Vorteile des Schwerbehindertenausweises im Überblick:

Bereich
Vorteile
Berufsleben
  • Besonderer Kündigungsschutz: Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung des Betriebes am Kündigungsvorhaben beteiligen und das Integrationsamt muss der Kündigung zustimmen.
  • Zusätzlicher Urlaub: Menschen mit einer Schwerbehinderung haben Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub. Das sind in der Regel 5 Tage im Jahr.
  • Benachteiligungsverbot: Schwerbehinderte Beschäftigte dürfen aufgrund ihrer Behinderung am Arbeitsplatz nicht benachteiligt werden.
  • Nachteilsausgleich in der Ausbildung: Während der Ausbildung können schwerbehinderte Jugendliche Erleichterungen in Anspruch nehmen, wie z.B. individuelle Prüfungserleichterungen.
  • Steuerabgaben
  • Steuererleichterungen: Menschen mit Behinderung und schwerbehinderte Menschen können bei der Einkommenssteuererklärung anstelle von Einzelnachweisen über ihre Aufwendungen sogenannte Behinderten-Pauschbeträge einsetzen (siehe nachfolgende Tabelle)
  • Ermäßigung bei der Kraftfahrzeugsteuer
  • Renteneintritt
  • Das abschlagsfreie Eintrittsalter in die Rente ist bei schwerbehinderten Menschen niedriger als bei Menschen ohne Behinderung.
  • Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
  • Kostenlose Nutzung des ÖPNV: Schwerbehinderte Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr können den ÖPNV kostenlos nutzen. Dazu sind Wertmarken notwendig, die zuvor beim Versorgungsamt gekauft oder beantragt werden können (Achtung: Nur bei bestimmten Merkzeichen!)
  • Parkplatz-Erleichterung
  • Behindertenparkplätze: Um auf ausgewiesenen Behindertenparkplätzen parken zu dürfen, sind zum einen bestimmte Merkzeichen notwendig und zum anderen ein Sonderparkausweis.
  • Rundfunkbeitrag
  • Ermäßigung oder Befreiung vom Rundfunkbeitrag
  • Steuererleichterungen für Menschen mit Behinderung

    Die Behinderten-Pauschbeträge wurden zum 01.01.2021 deutlich erhöht. Neu ist auch, dass der Pauschbetrag bereits ab einem GdB von 20 eingesetzt werden kann. Die folgende Tabelle zeigt die Behinderten-Pauschbeträge der jeweiligen Grade der Behinderung:

    Grad der Behinderung
    Pauschbetrag
    20 384 Euro
    30 620 Euro
    40 860 Euro
    50 1140 Euro
    60 1440 Euro
    70 1780 Euro
    80 2120 Euro
    90 2460 Euro
    100 2840 Euro

    Weitere Vorteile ohne Rechtsanspruch

    Ein Schwerbehindertenausweis kann noch weitere Vorteile und Vergünstigungen bringen, die jedoch von den Anbietern freiwillig gewährt werden. Das heißt, auf die folgenden Vorteile besteht kein Rechtsanspruch:

    • Ermäßigter Eintritt in Freizeit-, Sport- und Kultureinrichtungen und zu Veranstaltungen
    • Rabatte bei Mobilfunkanbietern
    • Rabatte bei Automobilclubs
    • Beitragsermäßigung in Vereinen oder Interessenverbänden

    Tipp!

    Nehmen Sie den Schwerbehindertenausweis im Alltag am besten immer mit, denn er gilt als Nachweis, um die Vorteile in Anspruch nehmen zu können. Es besteht jedoch keine Pflicht zum Mitführen des Ausweises.

    Wo kann ich einen Schwerbehindertenausweis beantragen?

    Der Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung und im Anschluss auch die Beantragung des Schwerbehindertenausweises wird beim zuständigen Versorgungsamt oder bei der im Bundesland zuständigen Behörde gestellt. Die Ämter bieten die Anträge in der Regel auf ihren Internetseiten zum Herunterladen an, sodass sie anschließend händisch ausgefüllt werden können. Alternativ können die Antragsformulare beim Amt angefordert werden. Es empfiehlt sich, dem Antrag alle relevanten Unterlagen, wie beispielsweise Arztbriefe und Befunde beizulegen. Das kann sich unter Umständen positiv auf die Bearbeitungsdauer auswirken.

    FAQ - Häufige Fragen zum Schwerbehindertenausweis