Eine nahestehende Person zu Hause zu pflegen ist nicht nur körperlich und emotional fordernd. Auch finanzielle Belastungen, bürokratische Hürden und viele praktische Alltagssorgen machen pflegenden Angehörigen zu schaffen. Zwar gibt es eine Vielzahl an Hilfsangeboten, um den anstrengenden Pflegealltag besser zu meistern. Doch für Laien ist es oft nicht leicht, Überblick im „Pflegedschungel“ zu bewahren. Hier zeigen wir Ihnen, wo es Hilfe für pflegende Angehörige gibt und was Sie unternehmen können, wenn Sie dringend Entlastung brauchen.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit der häuslichen Pflege von Angehörigen sind enorme körperliche, psychische, finanzielle, zeitliche und soziale Belastungen verbunden.
- Um die eigene Gesundheit zu schützen, sollten pflegende Angehörige unbedingt rechtzeitig Unterstützung heranziehen.
- Pflegestützpunkte und andere Beratungsstellen helfen dabei, die Pflege zu organisieren und einen Überblick über weitere externe Hilfen für pflegende Angehörige zu gewinnen.
- Über die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung hinaus können pflegende Angehörige kostengünstige oder kostenfreie Angebote zur zeitlichen oder emotionalen Entlastung nutzen.
Wer sind per Definition pflegende Angehörige?
Pflegende Angehörige im Sinne des deutsches Sozialgesetzbuchs sind „Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen […] in seiner häuslichen Umgebung pflegen“ (§ 19 SGB XI). Laut Barmer Pflegereport 2018 gibt es in Deutschland rund 2,5 Millionen Angehörige, die zu Hause unentgeltliche Pflegearbeit leisten, zwei Drittel davon Frauen. Die meisten von ihnen kümmern sich um enge Familienangehörige wie Partner, Eltern, Großeltern oder Geschwister.
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Mit welchen Herausforderungen und Belastungen sind pflegende Angehörige konfrontiert?
Die große Mehrheit, nämlich 85 Prozent der pflegenden Angehörigen, ist täglich für den Pflegebedürftigen im Einsatz, und das nicht selten über viele Jahre hinweg. Dabei ist der Grat zwischen Herausforderung und Überforderung oft schmal. Pflegende Angehörige sind mit Belastungen auf mehreren Ebenen konfrontiert:
- Körperlich: Pflege kann schwere körperliche Arbeit bedeuten. Oft mangelt es pflegenden Angehörigen an den richtigen Techniken oder Hilfsmitteln, um ihre Kräfte und damit ihre Gesundheit zu schonen. Auch Schlafmangel ist ein verbreitetes Problem.
- Emotional: Die psychische Belastung durch die Pflege von Mutter, Vater oder anderen Bezugspersonen kann enorm sein, auch weil die räumliche und emotionale Distanz dabei oft fehlt.
- Finanziell: Oft reicht das Pflegegeld nicht aus, um die tatsächlichen Kosten der Pflege zu decken. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Pflegende ihren Beruf aufgeben oder ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, um für ihren Angehörigen da zu sein.
- Zeitlich: Rund jede zweite pflegende Angehörige ist durch die Pflege mehr als 12 Stunden täglich beansprucht. Eigene Bedürfnisse oder Hobbys bleiben dabei nicht selten auf der Strecke.
- Sozial: Auch für Freunde und andere Familienangehörige bleibt oft kaum mehr Zeit. Viele Pflegende geraten so mehr und mehr in Isolation.
Erschöpfungs- und Burnout-Zustände, aber auch körperliche Beschwerden sind unter Pflegenden weit verbreitet. Als deutliche Alarmsignale für eine chronische Überlastung gelten:
- Energiemangel, anhaltende Müdigkeit
- Nervosität, innere Unruhe
- Schlafstörungen
- Gereiztheit, Ärgergefühle
- Niedergeschlagenheit, Gefühl der Hoffnungslosigkeit
- Magen-Darm-Beschwerden
- Kopf- oder Rückenschmerzen
- Herz-Kreislauf-Probleme
- Häufige Infekte
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Welche Unterstützungsangebote gibt es für pflegende Angehörige?
„Ich kann nicht mehr.“ – Wenn Sie als pflegende Angehörige an diesem Punkt sind, sollten Sie Ihrer eigenen Gesundheit zuliebe unbedingt Unterstützung heranziehen! Um die Last auf mehreren Schultern zu verteilen, helfen folgenden Angebote:
Beratungsstellen
Als zentrale Anlaufstelle wurden in Deutschland sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Diese bieten erste Orientierung und organisieren weitere externe Hilfen für pflegende Angehörige. Sanubi hat eine Übersicht aller Pflegestützpunkt in Deutschland mit Kontaktdaten erstellt.
Auch das Pflegetelefon des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erteilt kostenlose Auskünfte. Sie erreichen das Serviceteam von Montag bis Donnerstag (9 – 18 Uhr) unter der Nummer 030 20179131 oder per E-Mail (info@wege-zur-pflege.de).
Wer privat krankenversichert ist, kann sich an die compass Pflegeberatung wenden. Die Servicestelle bietet unter der Nummer 0800 101 88 00 telefonische Beratung für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen an (Mo – Fr von 8 – 19 Uhr, Sa von 10 – 16 Uhr). Die Pflegeberaterinnen kommen auch kostenlos zu Ihnen nach Hause.
Wenn pflegende Angehörige nicht mehr können, bietet pflegen-und-leben.de psychologische Online-Beratung an (wahlweise schriftlich oder per Video-Chat). Auch die Beratungsstelle Pflege in Not leistet Hilfe in akuten Krisensituationen.
Leistungen der Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege
Schöpfen Sie bereits alle Angebote der gesetzlichen Pflegeversicherung zur finanziellen oder zeitlichen Entlastung aus? Als pflegende Angehörige haben Sie Anspruch auf folgende Leistungen:
- Pflegegeld: Falls Ihr Angehöriger einen anerkannten Pflegegrad 2 – 5 hat, steht ihm Pflegegeld zu. Es wird direkt an den Pflegebedürftigen ausbezahlt und ist nicht zweckgebunden.
- Pflegesachleistungen: Alternativ zum Pflegegeld kann man sogenannte Pflegesachleistungen beziehen. Damit sind z.B. die Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes gemeint, der Sie zu Hause unterstützt.
- Tagespflege und Nachtpflege: Eine teilstationäre Versorgung des Pflegebedürftigen ist gerade für Berufstätige eine große Entlastung. Ihr Angehöriger wird beispielsweise morgens abgeholt und am frühen Abend wieder nach Hause gebracht.
- Verhinderungspflege: Falls Sie einmal selbst krank sind oder auf Urlaub fahren wollen, können Sie sich durch eine sogenannte Verhinderungspflege zu Hause vertreten lassen. Der Anspruch besteht für maximal 6 Wochen pro Jahr.
- Kurzzeitpflege: Darunter versteht man eine kurzfristige Aufnahme Ihres Angehörigen in eine stationäre Pflegeeinrichtung. Eine Kurzzeitpflege kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn sich der Gesundheitszustand Ihres Angehörigen plötzlich stark verschlechtert oder Sie selbst dringend eine Auszeit benötigen.
- Reha für pflegende Angehörige: Eine mehrwöchige Reha hilft, die eigenen Gesundheit zu stärken, Kraft zu tanken und Abstand vom Pflegealltag zu gewinnen.
- Entlastungsbetrag: Der Entlastungsbetrag in der Höhe von 125 Euro monatlich steht allen Pflegebedürftigen (ab Pflegegrad 1) zu. Man kann ihn beispielsweise verwenden, um eine Haushaltshilfe oder eine Tagesbetreuung zu finanzieren.
- Pflegekurse: Um mehr Sicherheit bei der Pflege zu gewinnen und praktische Fertigkeiten zu erlernen, bieten die Pflegekassen kostenlose Pflegekurse für Angehörige an. Die Kurse können auch bei Ihnen zu Hause stattfinden.
- Hilfsmittel Pflege: Personen mit einem Pflegegrad 1 – 5 haben können sogenannte Pflegehilfsmittel beantragen. Dazu zählen beispielsweise Einweghandschuhe, Flächendesinfektionsmittel, aber auch Pflegebetten.
- Zuschüsse zur Wohnungsanpassung: Viele pflegende Angehörige stehen vor dem Problem, dass die eigene Wohnung nicht barrierefrei gestaltet ist. Für die nötigen Umbaumaßnahmen (wie Anschaffung eines Treppenlifts, Einbau einer barrierefreien Dusche) leisten die Pflegekassen einen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro.
Gut zu wissen!
Das Bundesministerium für Gesundheit hat einen digitalen Pflegeleistungs-Helfer eingerichtet. Er ermöglicht einen raschen Überblick, welche Leistungen aus der Pflegeversicherung Ihnen zustehen.
Angehörige pflegen: Wenn die finanzielle Unterstützung der Pflegeversicherung nicht reicht
Die Leistungen der Pflegeversicherung decken leider häufig nicht die vollen Kosten. Wenn Rente und Pflegegeld nicht ausreichen, um die Pflege zu finanzieren, greift oft die Grundsicherung im Alter. Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie auch „Hilfe zur Pflege“ beantragen. Das ist eine Form von Sozialhilfe, die einkommensschwachen Pflegebedürftigen nach dem Sozialgesetzbuch (§ 61 – § 66a SGB XII) zusteht. Den Antrag stellen Sie beim zuständigen Sozialamt.
Gut zu wissen!
Auch Personen, die nicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege.
Freistellung von der Arbeit oder Reduktion der Arbeitszeit
Die Doppelbelastung durch Arbeit und Pflege stellt viele Berufstätige vor enorme Probleme. Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich für die Pflege eine Auszeit vom Beruf zu nehmen:
- Arbeitsverhinderung: Bei kurzfristigem Bedarf können Sie sich bis zu 10 Tage von der Arbeit freistellen lassen. Sie erhalten in dieser Zeit Pflegeunterstützungsgeld. Aufgrund der Coronapandemie wurde der Zeitraum bis März 2022 auf 20 Tage verlängert.
- Pflegezeit: Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie für bis zu 6 Monate vollständig aus dem Beruf aussteigen oder in Teilzeit arbeiten.
- Familienpflegezeit: Bei diesem Modell muss man zumindest 15 Stunden wöchentlich arbeiten, dafür verlängert sich der Anspruch auf bis zu 24 Monate.
Bei der Pflegezeit oder Familienpflegezeit zahlt der Arbeitgeber nur den Lohn für die tatsächlich geleistete Arbeit. In beiden Fällen können Sie aber ein zinsloses staatliches Darlehen in Anspruch nehmen.
Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige
Selbsthilfegruppen bieten emotionalen Rückhalt und soziale Unterstützung für pflegende Angehörige. Bei der Suche nach einer Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe hilft die Datenbank der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen).
Wer keine Selbsthilfegruppe vor Ort besuchen kann oder möchte, findet auch im Internet entsprechende Angebote. Beispielsweise bietet die Alzheimer Angehörigen Initiative e.V. eine Online-Selbsthilfegruppe an.
Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer
Ehrenamtliche Helfer übernehmen zwar normalerweise keine echten Pflegetätigkeiten. Sie beschäftigen sich aber mit dem Pflegebedürftigen, unterstützen Sie bei der Organisation oder helfen im Haushalt, damit Sie als pflegende Angehörige entlastet werden. Über das Netzwerk pflegeBegleitung können Sie nach ehrenamtlichen Helfern in Ihrer Nähe suchen.
Urlaub trotz Pflege
Eine Auszeit vom Alltag tut Ihnen, aber auch dem Pflegebedürftigen gut. Es gibt Anbieter wie den gemeinnützigen Reiseveranstalter Urlaub & Pflege e.V., die sich auf Reisen für und mit Pflegebedürftigen spezialisiert haben. Die Reisen werden von professionellen Pflegekräften begleitet, sodass Sie die Pflege ganz oder teilweise abgeben können.