Unfall, Krankheit oder einfach das Alter: Je länger wir leben, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir uns nicht mehr um alle organisatorischen Details unseres Lebens kümmern können. Wer rechtzeitig eine Vorsorgevollmacht aufgesetzt hat, kann sich von einer oder mehreren bevollmächtigten Personen vertreten lassen. Doch was ist mit allen anderen? Entscheidungen über etwa Finanzen, Gesundheit oder Pflegefragen darf nicht einfach ein Angehöriger oder die beste Freundin übernehmen. Dann greift das Betreuungsrecht.
Nur ein Richter oder eine Richterin mit entsprechender Zusatzqualifikation darf festlegen, wer in welchen Lebensbereichen für eine andere Person Entscheidungen treffen und etwas organisieren darf. Lesen Sie hier, wann es zu einer rechtlichen Betreuung kommt, was Sie als Angehörige wissen sollten, bevor Sie eine Betreuung übernehmen, und von wem Sie – sowohl als Betreuungsperson als auch als Betreute – Unterstützung erhalten können.
Die Alternative zur rechtlichen Betreuung ist die Vorsorgevollmacht.
Wer keine Vollmacht ausstellen kann oder möchte, aber mitbestimmen will, wer bei Bedarf vom Gericht als Betreuungsperson ernannt werden kann und welche Wünsche in jedem Fall berücksichtigt werden sollen, kann das in einer Betreuungsverfügung festlegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine rechtliche Betreuung wird immer von einem Betreuungsgericht festgelegt.
- Sie kommt infrage, wenn jemand Hilfe bei der Organisation des eigenen Lebens braucht und keine Vollmacht ausstellen kann oder will.
- Betreuungspersonen können Angehörige, Ehrenamtliche oder Fachkräfte sein.
- Das Betreuungsgericht kontrolliert die Arbeit der Betreuungspersonen.
- Die Wünsche der Betreuten müssen grundsätzlich berücksichtigt werden.
- Eine rechtliche Betreuung ist keine Entmündigung.
Was ist eine rechtliche Betreuung?
Eine rechtliche Betreuung, auch gesetzliche Betreuung genannt, ist eine Option, wie ein Erwachsener für einen anderen Erwachsenen wichtige Entscheidungen fällen oder Dinge organisieren darf. Die Grundlagen dafür sind im Bürgerlichen Gesetzbuch in den Paragrafen 1814 bis 1888 festgelegt.
Rechtliche Voraussetzungen
In Deutschland ist jeder Mensch ab seinem 18. Geburtstag für sich selbst verantwortlich. Alle dürfen, aber alle müssen auch dann ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst erledigen und das eigene Leben organisieren, also etwa Geld verdienen, eine Wohnung suchen, einen Mietvertrag abschließen, Gesundheitsentscheidungen treffen, und vieles mehr. Niemand darf diese Dinge für jemand anderen erledigen – es sei denn, es gibt dafür einen triftigen Grund und eine richterliche Entscheidung. Dann liegt ein sogenanntes Fürsorgebedürfnis vor.
Manchmal sind Entscheidungen durch eine gesetzliche Vertretung nötig und wichtig. Wenn jemand einen schweren Unfall hatte und im Koma liegt, muss irgendjemand entscheiden, wie es weitergehen soll. Wenn eine Behinderung, eine schwere Erkrankung oder zunehmende Alterserscheinungen das Leben immer stärker erschweren, dann ist es mitunter eine wahre Wohltat, wenn jemand anderes die Banküberweisungen tätigen, mit Ämtern und Versicherungen kommunizieren oder pflegerische Hilfen organisieren darf.
Ohne schriftliche, rechtliche Erlaubnis ist das aber nicht möglich. Weder bestimmte Krankheiten noch Behinderungen oder eine Sucht rechtfertigen per se irgendeine Form von Einschränkung der Entscheidungsfreiheit und Geschäftsfähigkeit. Auch aufgrund des deutschen Erbes aus der Zeit der Nationalsozialisten sind die Regeln sehr streng, unter welchen Umständen es überhaupt möglich ist, für jemand anderen etwas zu entscheiden. Um denjenigen, die Unterstützung brauchen, aber helfen zu können, gibt es das Betreuungsrecht, das alle nötigen Schritte und Möglichkeiten regelt.
Gut zu wissen!
Eine rechtliche Betreuung darf niemals eine Entmündigung, sondern muss immer eine Unterstützung sein. In der Regel bleiben Betreute auch geschäftsfähig, dürfen also weiterhin selbst Verträge für sich abschließen, die rechtlich gültig sind. Nur in bestimmten Ausnahmefällen wird die Geschäftsfähigkeit aberkannt, etwa wenn eine Demenz so weit fortgeschritten ist, dass Betroffene die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht mehr erkennen können. Eine solche Einschränkung muss aber immer individuell nach strengen Vorgaben getroffen werden.
Status Quo
In Deutschland haben etwa 1,3 Millionen Menschen eine rechtliche Betreuungsperson. Die Zahlen steigen seit Jahren – vor allem deshalb, weil immer mehr Menschen sehr alt werden und dann Hilfe bei der Organisation ihres Lebens brauchen. Die Fluktuation ist hoch. Nicht wenige Menschen haben nur für die letzten Lebensmonate eine Betreuungsperson. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder vierter Erwachsene in Deutschland irgendwann im Leben eine rechtliche Betreuung braucht.
Zum Januar 2023 wurde das deutsche Betreuungsrecht grundlegend reformiert. Seitdem müssen die Wünsche und Vorstellungen der Betreuten noch besser berücksichtigt werden. Es durfte schon vorher nicht einfach über ihren Kopf hinweg entschieden werden. Aber mit der Reform ist nun der Fokus noch deutlich stärker darauf gerichtet worden, dass Betreute in so vielen Lebensbereichen wie möglich weiterhin selbst über ihr Leben entscheiden können sollen. Und auch, wenn Betreuer der Ansicht sind, dass etwas anderes sinnvoller oder gesünder für die betreute Person wäre, ist es ihr Recht, sich anders zu entscheiden. Der freie Wille und die Gestaltungshoheit über das eigene Leben sollen soweit wie irgend möglich auch mit einer Betreuung erhalten bleiben.
Gut zu wissen!
Jeder Mensch in Deutschland hat grundsätzlich das Recht, frei zu entscheiden und dabei auch unvernünftig zu sein. Wer sich in den Augen anderer ungesund ernährt oder unnötig sein Geld ausgibt, darf das, solange er weiß, was er tut. Das gilt für alle Menschen – auch für Betreute. Eine Ausnahme besteht nur, wenn jemand etwa aufgrund einer Erkrankung die Konsequenzen seiner Handlungen nicht mehr erkennen kann. Dann haben Betreuer, sobald sie davon erfahren, das Recht und die Pflicht, diesen Menschen davor zu bewahren, sich und anderen Schaden zuzufügen.
Doch nicht nur die Rechte der Betreuten, auch die Rechte der Betreuer wurden gestärkt. Es gibt zum Beispiel mehr Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten.
Wie kommt es zu einer rechtlichen Betreuung?
Damit jemand einen gesetzlichen Vertreter bekommt, muss das örtliche Betreuungsgericht festlegen, dass das nötig ist. Dieses ist beim Amtsgericht angesiedelt. Nur speziell geschulte Richterinnen und Richter dürfen eine Betreuung erlauben. Dafür gilt ein gesetzlich festgelegtes Verfahren.
Betreuung anregen
Damit das Betreuungsgericht überhaupt tätig wird, muss irgendjemand eine rechtliche Betreuung anregen. Das kann man entweder selbst tun, wenn man gerne einen Betreuer an seiner Seite hätte. Oder Außenstehende können eine Betreuung anregen, wenn sie den Eindruck haben, dass jemand einen rechtlichen Betreuer braucht. Diese Anregung kann prinzipiell jeder Erwachsene – auch anonym – ans Gericht geben. Häufig sind es Angehörige, Freunde oder Nachbarn, die eine Betreuung anregen, um die nötige Unterstützung zu ermöglichen.
Gut zu wissen!
Wer eine Betreuung anregt, muss diese nicht zwangsläufig übernehmen. Das Gericht überprüft nach der Anregung zunächst einmal, ob überhaupt eine rechtliche Betreuung nötig ist. Wenn ja, dann wird nach Möglichkeit mit der betroffenen Person gemeinsam überlegt, wer die Betreuerin oder der Betreuer werden soll. Laut Gesetz sollte das möglichst eine nahestehende Person sein.
Betreuung einrichten
Erhält das Betreuungsgericht einen Hinweis, lädt es zunächst die betroffene Person sowie infrage kommende Angehörige zu einem Gespräch ein. Außerdem wird die örtliche Betreuungsbehörde, manchmal auch Betreuungsstelle genannt, informiert. Diese staatliche Stelle, meist beim Jugend- oder Gesundheitsamt angesiedelt, hat die Aufgabe, weitere Gespräche mit den Betroffenen zu führen und Gutachten zu erstellen, mit deren Hilfe das Gericht einschätzen kann, ob und in welchen Lebensbereichen eine Betreuung nötig ist. Neben Richterinnen und Richtern leisten vor allem Rechtspflegerinnen – meist sind es Frauen – wichtige Organisationsarbeit beim Betreuungsgericht und beraten auch, wenn Betreute oder Angehörige Fragen haben.
Wann gilt eine Betreuung als notwendig?
Eine rechtliche Betreuung ist ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, weil eine Betreuungsperson beispielsweise über gesundheitliche Eingriffe, den Wohnort oder das Geld einer anderen Person entscheiden darf. Deshalb darf eine Betreuung nur dann eingerichtet werden, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, um das Leben der betreuten Person zu verbessern. Aus diesem Grund muss die Person, für die eine Betreuung eingerichtet werden soll, auch immer persönlich angehört werden, bevor das Gericht eine Entscheidung treffen darf. Das gilt übrigens unabhängig von vorhandenen Einschränkungen. In ihrem eigenen Verfahren gelten Betroffene grundsätzlich als verfahrensfähig und dürfen auf Wunsch auch einen Anwalt einschalten. Nur wenn jemand beispielsweise im Koma liegt und sich definitiv nicht äußern kann, darf ausnahmsweise auf eine persönliche Anhörung verzichtet werden.
Bis das Verfahren abgeschlossen ist, dauert es üblicherweise mindestens zwei, manchmal auch bis zu sechs Monate. In dringenden Fällen ist ein Eilverfahren binnen weniger Tage möglich. Dann ist die Betreuung aber maximal sechs Monate lang gültig. In Notfällen kann eine einstweilige Anordnung auch in nur wenigen Stunden erfolgen. Das eigentliche Verfahren mit Gesprächen und ausführlicher Aufklärung aller Beteiligten muss dann schnellstmöglich nachgeholt werden.
Gegen den freien Willen eines Menschen darf ein Gericht in der Regel keine rechtliche Betreuung festlegen. Nur wenn jemand sich oder andere gefährdet, weil er etwa aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr einschätzen kann, dass eine Betreuung nötig wäre, dann ist sie in Ausnahmefällen auch gegen den erklärten Willen möglich.
Gleiches gilt für Entscheidungen während der Betreuung. Eigentlich muss immer nach dem Willen der betreuten Person gehandelt werden. Nur in Ausnahmefällen darf man Betreute „zu ihrem Glück zwingen“, wenn ansonsten Gefahr drohen würde oder wenn sie in gesundem Zustand selbst so entschieden hätten.
Ein Beispiel: Eine Person mit Demenz entwickelt plötzlich große Angst vor Ärzten. Unglücklicherweise bricht sie sich den Oberschenkel und will sich daraufhin trotz starker Schmerzen nicht untersuchen und behandeln lassen. Das wäre eine Situation, in der die Betreuungsperson zunächst versuchen müsste, ihr die Situation zu erklären und vielleicht eine junge Ärztin statt eines älteren Arztes oder umgekehrt zu ihr bitten sollte. Doch wenn das nichts bringt, es aber gesundheitlich entscheidend wäre, ihr die nötige Behandlung zukommen zu lassen, dann wäre es recht wahrscheinlich, dass das Betreuungsgericht es erlaubt, dass die betroffene Person gegen ihren Willen untersucht und behandelt wird. Dies wäre eine ärztliche Zwangsmaßnahme und sie ist nur als letztes Mittel erlaubt.
Auch andere Zwangsmaßnahmen sowie jegliche Form von Freiheitsbeschränkung oder geschlossener Unterbringung muss immer beim Gericht beantragt und darf nur in begründeten Ausnahmefällen von diesem genehmigt werden. Nur dann dürfen Betreuer gegen den Willen der Betreuten handeln.
Gut zu wissen!
Manchmal weigern sich Betreute, verschriebene Medikamente zu nehmen, obwohl das Weglassen ihnen gesundheitlich schadet. Es ist nicht erlaubt, die Tabletten dann zu zerkleinern und ohne das Wissen der Betroffenen unter ihr Essen zu mischen. Wenn dies in guter Absicht und im stillen Kämmerlein passiert, wird vermutlich niemand etwas sagen. Aber wenn Sie beispielsweise das Personal eines Pflegedienstes oder im Pflegeheim darum bitten, dann müssen die Pflegekräfte sich weigern, um sich nicht strafbar zu machen. Möglicherweise gibt es aber Alternativen, etwa indem die Tabletten zerbrochen werden. Manchmal gibt es den gleichen Wirkstoff auch als Saft.
Lebensbereiche
Nur weil jemand Hilfe bei der Steuererklärung und weiteren finanziellen Aspekten seines Lebens braucht, heißt das noch lange nicht, dass auch bei Gesundheitsentscheidungen weitere Personen mitreden müssen und sollten. Deshalb muss das Betreuungsgericht genau definieren, in welchen Lebensbereichen eine Betreuung eingerichtet wird. So sollen Betroffene genau dort Hilfe erhalten, wo sie sie brauchen, und können ansonsten weiterhin möglichst eigenständig ihr Leben organisieren.
Die Lebensbereiche, juristisch Aufgabenkreise genannt, sind nicht pauschal definiert, sondern werden individuell vom Gericht festgelegt. Typische Einteilungen sind:
- Finanzen, etwa Alltagsgeschäfte und Steuererklärung (Fachbegriff: Vermögenssorge)
- Gesundheit, auch die Einwilligung in medizinische Eingriffe oder die Organisation einer Reha-Maßnahme (Fachbegriff: Gesundheitssorge)
- Verwaltung von Haus oder Wohnung (Fachbegriff: Wohnungsangelegenheiten)
- Kommunikation mit Behörden und Versicherungen (Fachbegriff: Rechtsangelegenheiten)
- Bearbeitung der Post (Fachbegriff: Postangelegenheiten)
- Weiteres, etwa Organisation eines Pflegedienstes oder eines Heimplatzes
Rechtliche Betreuer dürfen immer nur in den Lebensbereichen in Vertretung für die betreute Person handeln, für die sie eine gerichtliche Erlaubnis haben. Welche das sind, wird im Gerichtsverfahren bestimmt und dann in der Betreuungsurkunde festgehalten. Diese Urkunde müssen Betreuer etwa bei Ämtern oder Versicherungen vorlegen, um nachzuweisen, dass sie entscheidungsbefugt sind.
Gut zu wissen!
Es gibt bestimmte Rechte, die in Deutschland höchstpersönlich und unübertragbar sind. Dazu gehört zum Beispiel das Recht zu wählen. Dabei dürfen Betreuungspersonen zwar helfen, wenn es nötig ist, aber Betreute dürfen selbst entscheiden, ob und wen sie bei Landes-, Bundes- oder Europawahlen wählen möchten. Zwei Dinge dürfen Erwachsene nur entscheiden, wenn sie verstehen, was sie tun. Das ist zum einen das Heiraten (Fachbegriff: Ehefähigkeit) und zum anderen das Aufsetzen eines Testaments (Fachbegriff: Testierfähigkeit). Sollten Betreute, etwa aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz, testierunfähig sind, darf das niemand in Vertretung übernehmen. Es kann dann also kein Testament mehr aufgesetzt oder ein altes verändert werden. Für beides ist es dann zu spät.
Dauer der Betreuung
Eine rechtliche Betreuung kann vorübergehend oder auf Dauer eingerichtet werden – je nach den Lebensumständen. Auch bei einer Einrichtung auf Dauer, etwa wenn jemand eine Demenz hat, die realistischerweise kaum noch besser, sondern eher noch stärker werden wird, muss nach spätestens sieben Jahren erneut vom Gericht überprüft werden, ob die Betreuung noch notwendig ist. Eine vorübergehende Einrichtung ist beispielsweise üblich, wenn jemand einen Unfall hatte und eine gute Prognose auf Heilung besteht.
Wer übernimmt die Betreuung?
Bei der Frage, wer als gesetzlicher Vertreter bestimmt wird, müssen immer die Wünsche der Person berücksichtigt werden, um die es geht. Sie kann im Gespräch Vorschläge nennen oder das Gericht kann auf eine Betreuungsverfügung zurückgreifen, falls kein Gespräch möglich ist und rechtzeitig eine Verfügung verfasst wurde.
Individuelle Wünsche
Wenn eine Betreuungsverfügung vorliegt, dann ist das Gericht daran gebunden, sofern keine außergewöhnlichen Gründe dagegensprechen. Der Wunsch nach einem bestimmten Betreuer kann zum Beispiel abgelehnt werden, wenn dieser Mensch vorbestraft ist oder kaum Deutsch spricht, aber mit Behörden kommunizieren müsste. Auch wenn zum Beispiel die Schwester als gewünschte Betreuerin in der Betreuungsverfügung genannt ist, die aber nie gefragt wurde und die Betreuung nicht übernehmen möchte, kann das Gericht sie nicht dazu nötigen.
In der Regel ist es aber möglich, dass – sofern es bestimmte Wünsche gibt – diese auch vom Betreuungsgericht erfüllt werden. Auch eine Aufteilung der Betreuungsarbeit auf mehrere Personen ist möglich. Wenn mehrere Lebensbereiche vergeben werden müssen oder die Lebenssituation schwierig ist, dann ist eine Aufteilung sogar üblich.
Familie geht vor
Sofern möglich, sollte immer jemand die Betreuung übernehmen, der die zu betreuende Person gut kennt und ihr nahesteht. Das ist im neuen Betreuungsrecht explizit festgelegt. Nahen Verwandten oder guten Freunden ist somit immer der Vorzug vor einem Profi-Betreuer zu geben, sofern alle damit einverstanden sind.
Wenn Sie sich als Angehöriger vorstellen können, die Betreuung zu übernehmen, sich aber wünschen, dass ein bestimmter Lebensbereich an einen Profi ausgelagert wird, etwa die Finanzen, dann ist auch das in der Regel machbar. Sprechen Sie solche Wünsche und auch mögliche Bedenken unbedingt beim Gericht an. Dies muss dann berücksichtigt werden.
Gut zu wissen!
Wenn Sie als Angehöriger oder enge Freundin die Betreuung zwar nicht übernehmen wollen, aber gerne im Verfahren und später ein Mitspracherecht hätten, dann haben Sie die Möglichkeit, beim Betreuungsgericht einen „Antrag auf förmliche Beteiligung“ zu stellen. Wenn Sie gute Gründe nennen können, dass die betroffene Person davon profitiert, erhalten Sie eigene Rechte, etwa auf Auskunft oder Beschwerde, falls die Betreuung in Ihren Augen später nicht so läuft wie besprochen.
Als zweite Alternative gelten ehrenamtliche Betreuer. Deutschlandweit etablierte Betreuungsvereine beraten und schulen Ehrenamtliche, die solche Betreuungen übernehmen wollen. Für ihre Arbeit erhalten sie – genau wie Angehörige, wenn sie das wollen, – auf Antrag eine Aufwandsentschädigung von 449 Euro pro Jahr. Wer überlegt, eine rechtliche Betreuung als Angehöriger oder externer Ehrenamtlicher zu übernehmen, kann sich kostenlos bei einem Betreuungsverein fortbilden lassen.
Wenn keine Privatperson infrage kommt, wenn es explizit gewünscht ist oder wenn die Lebensumstände kompliziert sind, dann darf das Gericht als letzte Option einen Berufsbetreuer bestimmen. Wer hauptberuflich rechtliche Betreuungen übernehmen will, muss eine entsprechende Qualifizierung haben. Je nach Erfahrungsgrad der Betreuungsperson, Dauer der Betreuung und Vermögen der zu betreuende Person erhalten Berufsbetreuer eine Pauschale nach einer gesetzlich definierten Honorartabelle für ihre Arbeit. Die Pauschale beträgt zwischen 62 und 486 Euro pro Monat und muss von der betreuten Person bezahlt werden. Die Honorare sind deutlich geringer als übliche Sätze für zum Beispiel Rechtsanwälte, obwohl gesetzliche Betreuungspersonen oft ein Jura-Studium absolviert haben. So soll sichergestellt werden, dass eine rechtliche Betreuung nicht zur finanziellen Belastung wird.
Gut zu wissen!
Eine rechtliche Betreuung ist nicht notwendig, wenn jemand ausschließlich praktische Unterstützung wie etwa Pflegeleistungen braucht. Dann greift das Pflegerecht. Nur wenn die Betroffenen es nicht schaffen, sich die konkrete Hilfe selbst zu organisieren, dann ist ein Betreuungsverfahren sinnvoll. Es ist auch möglich, eine Betreuung anzuregen, wenn man noch nicht weiß, wie lange die organisatorische Hilfe nötig sein wird. Das Gericht kann dann alle nötigen Erlaubnisse erteilen, um etwa einen Pflegegrad zu beantragen und die nötigen pflegerischen Hilfen zu koordinieren. Sobald die Pflege im Alltag funktioniert, kann die Betreuung potenziell wieder aufgehoben werden. Ist weiterhin Hilfe bei der Organisation des Lebens nötig, kann sie bestehen bleiben.
Die Betreuungsarbeit
Wie viel und welche Arbeit Betreuer übernehmen, ist sehr individuell. Manche schreiben nur alle paar Wochen mal einen Brief. Andere erledigen mehrmals wöchentlich unterschiedliche Aufgaben.
Wie oft Kontakt zwischen den Betreuten und der Betreuungsperson besteht, hängt auch davon ab, wer die Betreuung übernimmt. Ehrenamtliche, verwandte oder befreundete Betreuer kommen oft mindestens einmal pro Woche vorbei, um die nötigen Kleinigkeiten zu besprechen und zu organisieren und auch einfach so nach dem Rechten zu sehen. Oft sind sie sowohl Betreuungs- als auch Pflegeperson und die unterschiedlichen Arbeiten lassen sich gar nicht so genau trennen.
Berufsbetreuer hingegen erledigen genau die Aufgaben, die ihnen gerichtlich aufgetragen wurden. Sie dürfen ausschließlich Organisatorisches übernehmen und beispielsweise nicht für Betreute einkaufen gehen oder andere konkrete Pflege- oder Hilfsdienste leisten. Damit sie davon leben können, haben sie meist mindestens 20 Betreuungen parallel. Mindestens einmal pro Monat müssen sie laut Gesetz zu jeder betreuten Person Kontakt haben. Viele melden sich häufiger.
Pflichten für Betreuer
Alle Betreuungspersonen müssen ihre Arbeit laut Gesetz immer am Wohl der Betreuten orientieren. Dazu gehört zum Beispiel:
- Am Anfang der Betreuungszeit müssen sie sich einen Überblick über das Leben der betreuten Person verschaffen, sofern sie sie noch nicht gut kennen.
- Sie müssen die betreute Person nach ihren grundsätzlichen und konkreten Wünschen für ihren Zuständigkeitsbereich befragen.
- Sie müssen über alle wichtigen Entscheidungen vorher mit der betreuten Person sprechen.
- Sie sollen die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung (weiterhin) fördern.
- Sie sollten sich im Bedarfsfall selbst Hilfe suchen.
- Sie müssen im regelmäßigen Austausch zur betreuten Person stehen.
- Sie müssen – je nach Art der Betreuung – mindestens einmal pro Jahr dem Gericht über ihre Arbeit berichten.
- Sie dürfen bestimmte Entscheidungen nur nach gerichtlicher Genehmigung fällen.
Wenn Angehörige eine Betreuung übernehmen, erhalten sie vom Betreuungsgericht alle wichtigen Informationen, wie die Betreuungsarbeit üblicherweise abläuft und woran sie sich halten müssen. Die Regeln sind für sie grundsätzlich weniger streng als für berufliche Betreuungspersonen. Viele Gerichte vergeben auch Musterschreiben, die man nur noch ausfüllen muss.
Gut zu wissen!
Wenn Sie überlegen, eine rechtliche Betreuung zu übernehmen, lassen Sie sich am besten vorher bei einem Betreuungsverein beraten. Das ist auch für Interessierte möglich. Einen ausführlichen Ratgeber mit Musterschreiben und Ausfüllhilfen für betreuende Angehörige hat die Stiftung Warentest unter dem Titel „Gesetzliche Betreuung“ veröffentlicht.
Rechte von Betreuern
Etwa die Hälfte aller Betreuungen werden von Angehörigen oder anderen Ehrenamtlichen übernommen. Damit sie ihre Aufgaben gut und im Sinne der Betreuten erledigen können, haben sie das Recht auf Unterstützung durch Profis oder Ehrenamtliche mit Erfahrung. Sie können sich bei einem örtlichen Betreuungsverein kostenlos fortbilden lassen und sich dort auch regelmäßig mit anderen Betreuungspersonen austauschen, wenn sie das wollen. So können sich Ehrenamtliche gegenseitig unterstützen. Beratungen und Austausch sind persönlich vor Ort oder online möglich.
Außerdem erhalten sie auf Antrag eine Aufwandsentschädigung und können sich kostenlos in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Sammel-Haftpflichtversicherung für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer absichern lassen. Während des Urlaubs, oder falls sie selbst krank werden, können Betreuer sich vertreten lassen. Sollte der Aufwand für die Betreuungsaufgaben zu hoch werden, haben Betreuer jederzeit das Recht, die rechtliche Betreuung oder einen Teil der Aufgaben wieder abzugeben.
Gut zu wissen!
Zusätzlich zu einer rechtlichen Betreuung sind oft auch örtliche Unterstützungsangebote hilfreich. Manchmal lösen diese sogar das Hauptproblem, sodass eine Betreuung gar nicht nötig ist. Folgende Hilfsangebote, die teils allerdings nicht flächendeckend vertreten sind, können Angehörigen und Betroffenen weiterhelfen: Kommunale Sozialarbeit, Sozialpsychiatrischer Dienst, Schuldnerberatung, ehrenamtliche Quartiers- oder Formularlotsen sowie Servicestellen zur Antragsunterstützung und Beratung für Grundsicherung und anderen Hilfen zum Lebensunterhalt. Das örtliche Bürgerbüro und die Betreuungsvereine informieren, was es vor Ort gibt.
Vor- und Nachteile
Eine rechtliche Betreuung wird nur dann eingerichtet, wenn ein Bedarf besteht und keine Vollmacht vorliegt oder diese auf die aktuelle Situation nicht passt. In der praktischen Umsetzung können die strikten Regeln für Betroffene sowohl Vor- als auch Nachteile haben.
Vorteile
Viele Menschen sehen es als Vorteil an, dass man nur dann einen gesetzlichen Vertreter bekommen kann, wenn ein unabhängiges Gericht die Notwendigkeit nach einem strengen Verfahren festgestellt hat. Außerdem kontrolliert das Gericht alle Betreuungspersonen regelmäßig. Sie müssen zum Beispiel nachweisen, welche Arbeiten sie erledigt haben und wofür sie das Geld der betreuten Person ausgegeben haben. Es gibt also eine hohe Sicherheit, dass Betreuer ihre Position gegenüber den Betreuten nicht ausnutzen können. Beim Thema Gesundheit gibt es teils noch strengere Regeln. Riskante gesundheitliche Entscheidungen muss das Gericht zum Beispiel grundsätzlich prüfen und gibt diese nur frei, wenn ersichtlich ist, dass diese im besten Sinne für die betreute Person sind.
Nachteile
Genau diese starren Regelungen können aber auch ihre Nachteile für die Betreuten haben. Denn manchmal wäre es angenehmer, bestimmte Entscheidungen einfach in der Familie fällen zu können, ohne ein Gericht um Erlaubnis bitten zu müssen. Außerdem kennen neutrale Personen wie Richter oder zunächst fremde Personen wie Berufsbetreuer die Betroffenen und deren Lebensgeschichte, ihre Wünsche und Ängste oft nicht so gut wie nahe Verwandte oder Freunde. Deshalb kann es manchmal passieren, dass zwar in bester Absicht gehandelt wird, aber dabei die persönlichen Wünsche der betreuten Person trotzdem übersehen werden.
Ein weiterer Nachteil ist, dass eine rechtliche Betreuung grundsätzlich mit gewissen Kosten und auch Offenlegungspflichten verbunden ist. Das Betreuungsgericht erhebt eine Gebühr und auch die Betreuer erhalten bestimmte Pauschalen für ihre Arbeit. Die Höhe ist zwar überschaubar und grundsätzlich vom Vermögen der Betreuten abhängig – wer wenig hat, muss auch wenig oder gar nichts zahlen, – aber die Kosten sind trotzdem vorhanden. Und damit die Höhe festgelegt werden kann, müssen die zu Betreuenden ihre finanzielle Lage offenlegen. Wer eine Vollmacht ausstellt, sodass ein Angehöriger oder eine Freundin die gesetzliche Vertretung übernehmen darf, kann selbst entscheiden, wem er welche Einblicke gewährt und ob und welche Entschädigung er der bevollmächtigten Person gerne bezahlen möchte. Die Regeln und Kosten für eine rechtliche Betreuung hingegen sind gesetzlich festgelegt und nicht verhandelbar.
Sowohl als auch
Bestimmte Regelungen nehmen manche Menschen als Vor-, andere als Nachteile wahr. Dazu gehören die Regeln zu Finanzen. Wer ein hohes Vermögen zu verwalten hat, profitiert natürlich davon, wenn sich jemand darum kümmert und die Verwaltung kontrolliert wird. Dadurch werden aber auch hohe Gebühren fällig. Ob hier der Vor- oder der Nachteil überwiegt, ist Ansichtssache.
Auch der recht strikte Datenschutz kann Vor- und Nachteile haben. Wenn eine rechtliche Betreuung eingerichtet wird, dann bekommt die offizielle Betreuungsperson alle nötigen Informationen und Rechte zugesprochen. Alle anderen Verwandten oder auch gute Freunde oder hilfsbereite Nachbarn haben jedoch so gut wie keine eigenen Rechte. In manchen Familien kann das Vorteile haben, weil sich dann zum Beispiel unliebsame Verwandte nicht mehr einmischen können. Denn Betreuer und Gericht haben das Recht, ihnen die Auskunft zu verweigern. Das kann sehr entlastend sein, wenn besagte Verwandte ansonsten womöglich ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen würden, die aber nicht dem Wohl der betreuten Person entsprechen.
In manchen Familien und Freundeskreisen kann diese Regelung aber auch zum Problem werden, etwa dann, wenn ein soziales Netzwerk dann plötzlich nicht mehr funktioniert. Es kann zum Beispiel passieren, dass niemand aus dem Freundeskreis die offizielle Betreuung übernehmen kann und es auch keine Angehörigen gibt, die das tun könnten. Wenn dann ein Berufsbetreuer eingesetzt wird, der sich um die wichtigen, organisatorischen Details kümmert und wenn gleichzeitig die betreute Person an einer Demenz leidet und es nicht mehr schafft, selbst die Kontakte zu Freunden aufrecht zu erhalten, dann kann es im ungünstigsten Fall passieren, dass wichtige Rituale und Hilfen verloren gehen, weil die betreute Person sie nicht mehr einfordern kann, der Berufsbetreuer davon nichts weiß und die Freunde keine eigenen Rechte haben. Manches lässt sich durch gute Kommunikation beheben, aber anderes nicht. Schließlich kann der Berufsbetreuer nicht wissen, ob die guten, alten Freunde tatsächlich solche sind oder ob da jemand versucht, sich ins Leben einer erkrankten Person einzuschleichen und womöglich Informationen und Geld abzugreifen.
Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig Wünsche und Kontakte zu notieren, die einem wichtig sind. Am besten geht das in Form einer Betreuungsverfügung, aber auch formlose, schriftliche Wünsche muss das Betreuungsgericht bedenken. Wenn absehbar ist, dass in Ihrer Familie zukünftig jemand eine Betreuung brauchen könnte, dann setzen Sie sich am besten zusammen und notieren gemeinsam, was sich die betroffene Person etwa in Bezug auf Pflege, Gesundheit und Wohnsituation wünscht. Das kann später enorm helfen, wenn Entscheidungen im Sinne der betreuten Person getroffen werden sollen. Wichtig ist dafür, dass die Notizen an einem bekannten und zugänglichen Ort lagern, damit sie im Bedarfsfall auch gefunden werden.
Wenn etwas schiefläuft
Manchmal haben Außenstehende den Eindruck, dass nicht nach dem Wohl und Willen von betreuten Personen gehandelt wird. Das ist zwar selten, kommt aber vor. In solchen Fällen ist es sinnvoll, zunächst das Gespräch zur betreuten Person zu suchen, wenn das möglich ist. Denn die Betreuten selbst dürfen jederzeit beim Gericht um Änderungen bitten und müssen angehört werden. Wenn eine betreute Person also unzufrieden ist, dann unterstützen Sie sie am besten darin, dass sie sich selbst beim zuständigen Betreuungsgericht beschweren und ihre Unzufriedenheit schildern und begründen soll. Das Gericht wendet sich dann an den Betreuer oder die Betreuerin. Sofern die Beschwerden berechtigt sind, muss die Betreuungsperson künftig anders handeln. Wenn sich nichts ändert oder die betreute Person direkt darum bittet, muss das Gericht eine andere Betreuungsperson ernennen.
Sagt die betreute Person selbst nichts, entweder weil sie sich nicht traut oder nicht (mehr) dazu in der Lage ist, aber Sie haben dennoch den Eindruck, dass sie unglücklich mit der Betreuung ist, können Sie sich mit ihren Bedenken an einen Betreuungsverein wenden. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Sie – auf Wunsch auch anonym – beraten, welche juristischen Möglichkeiten im vorliegenden Fall bestehen. Dann können Sie einschätzen und entscheiden, was Sie tun können, damit die betroffene Person wirklich nach ihren Vorstellungen betreut wird.