Gute Pflege sollte mehr sein als eine rein fremdbestimmte Versorgung. Im Idealfall unterstützt sie Menschen dabei, ihren Alltag möglichst selbstständig zu bewältigen und so trotz Alter oder Krankheit ihre Freiheit und Würde zu bewahren. Diesen modernen Grundsatz bezeichnet man auch als „aktivierende Pflege“.

 

Das Wichtigste in Kürze

  • Aktivierende Pflege bedeutet, den Pflegebedürftigen möglichst aktiv an seiner Pflege zu beteiligen und seine Selbstständigkeit zu fördern.
  • Eine rehabilitativ-aktivierende oder therapeutisch aktivierende Pflege zielt darauf, dass Menschen verloren gegangene Fähigkeiten wieder erlangen und so aktiver am Leben teilhaben können.
  • Aktivierende Maßnahmen können auf körperlicher, geistiger, sinnlicher und alltagspraktischer Ebene umgesetzt werden.
  • Durch eine aktivierende Pflege lassen sich typische Altersbeschwerden wie Demenz oder Gebrechlichkeit zumindest hinauszögern oder verlangsamen.
  • Aktivierende Pflegemaßnahmen sollten immer im Dialog mit dem Pflegebedürftigen umgesetzt werden und dürfen diesen weder über- noch unterfordern.

Definition: Was ist aktivierende Pflege?

Als „aktivierende Pflege“ bezeichnet man einen modernen Pflegegrundsatz, wie er sich im Leitbild vieler Pflegeeinrichtungen findet. Kurz gesagt hat aktivierende Pflege das Ziel, die Unabhängigkeit der pflegebedürftigen Person zu fördern und ihm dabei zu helfen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Damit unterscheidet sie sich von einer rein kompensatorischen oder versorgenden Pflege, bei der man dem Pflegebedürftigen alles abnimmt, was er nicht mehr selbst kann. Eine solche „Rundum-Betreuung“ ist zwar oft gut gemeint, kann älteren oder kranken Menschen aber mehr schaden als ihnen zu nützen. Denn der alters- oder krankheitsbedingte Abbau schreitet noch rascher voran und die pflegebedürftige Person wird immer abhängiger von ihrem Umfeld.

Gut zu wissen!

Der Anspruch auf eine aktivierende Pflege ist auch im Gesetz verankert. Laut § 11 Abs. 1 SGB XI (Sozialgesetzbuch) sind Pflegeeinrichtungen verpflichtet, „eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten“. Darüber hinaus sollen die Leistungen der Pflegeversicherung nach § 2 Abs. 1 SGB XI darauf zielen, „die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten“.

Was ist eine rehabilitativ-aktivierende Pflege?

Oft liest man auch von einer „rehabilitativ-aktivierenden“ oder „aktivierenden therapeutischen“ Pflege. Was steckt dahinter? „Rehabilitation“ meint grundsätzlich die Wiedereingliederung eines kranken Menschen in die Gesellschaft, soweit das in seiner speziellen Situation eben möglich ist. Eine rehabilitativ-aktivierende Pflege hat das Ziel, dass Menschen verloren gegangene Fähigkeiten wieder erlernen und so Schritt für Schritt ein selbstständigeres Leben führen. Bedeutsam ist das etwa nach Unfällen oder Krankheiten, beispielsweise wenn ein Patient durch einen Schlaganfall neurologische Schäden erlitten hat. Doch die aktivierende therapeutische Pflege hat selbst in der Geriatrie ihre Berechtigung. Denn auch hochbetagte Menschen können verloren geglaubte Fähigkeiten durch konsequentes Training wieder erlangen oder sie zumindest kompensieren, um im Alltag möglichst unabhängig zu bleiben.

Die rehabilitativ aktivierende oder therapeutisch aktivierende Pflege wird oft mit dem sogenannten Bobath-Konzept in Verbindung gebracht. Das Bobath-Konzept wurde in den 1940er-Jahren von zwei Physiotherapeuten begründet und findet heute breite Anwendung in der Alten- und Krankenpflege. Bei der therapeutisch aktivierenden Pflege nach Bobath geht es vor allem darum, wie Menschen Bewegungsabläufe neu erlernen können. Ein Kerngedanke ist, dass sich Sensorik (Spüren) und Motorik (Bewegung) gegenseitig beeinflussen. Damit ein Patient mobiler werden kann, muss man ihm die Chance geben, Sinneserfahrungen zu machen und sich aktiv an dem Bewegungsablauf zu beteiligen.

Die Bobath-Initiative in der Kranken- und Altenpflege (BIKA) hat für die rehabilitativ aktivierende Pflege eine Definition herausgegeben. Demnach handelt es sich um einen „Beziehungsprozess mit zielgerichteten Maßnahmen und Aktivitäten“. Die BIKA betont somit, dass therapeutisch aktivierende Pflege auch viel mit Kommunikation und Beziehungsarbeit zu tun hat.

Gut zu wissen!

Aktivierende Pflege hat zwar klare Vorteile, kann für den Pflegebedürftigen – gerade zu Beginn – aber auch beschwerlich und anstrengend sein. Umso wichtiger ist es, den kranken oder alten Menschen freundlich zu motivieren und ihm zu erklären, warum er bei seiner Pflege mithelfen soll.

Was sind aktivierende Maßnahmen?

Aktivierende Pflege lässt sich auf verschiedenen Ebenen umsetzen. Unterscheiden kann man zwischen

  • motorischer (körperlicher) Aktivierung
  • kognitiver (geistiger) Aktivierung
  • alltagspraktischer Aktivierung
  • sensorischer (sinnlicher) Aktivierung

Motorische Aktivierung dient dazu, die Bewegungsfähigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen. Gerade bei hochbetagten Menschen ist beispielsweise ein gezieltes Mobilitäts- und Gleichgewichtstraining zur Vermeidung von Stürzen sinnvoll. Studien haben gezeigt, dass sich Muskelkraft und Gleichgewichtssinn auch im höheren Alter noch gut trainieren lassen.

Bei der kognitiven Aktivierung geht es darum, die geistigen Fähigkeiten und das Gedächtnis zu trainieren. Vor allem im Anfangsstadium lassen sich demenzielle Erkrankungen dadurch verlangsamen oder hinauszögern.

Alltagspraktische Aktivierung zielt darauf, dass Menschen in wesentlichen Lebensbereichen wie der Körperpflege, Nahrungsaufnahme oder der Pflege von Sozialkontakten möglichst lange selbstständig bleiben. Eine wichtige Voraussetzung können dabei geeignete Hilfsmittel sein. So ist es bei der aktivierenden Pflege eines Parkinson-Patienten wichtig, ihm Hilfsmittel wie Haltegriffe, spezielles Essbesteck oder Anziehhilfen zur Verfügung zu stellen, damit er seinen Alltag eigenständig bewältigen kann. Lesen hier mehr über die Pflege von Angehörigen mit Parkinson.

Eine sensorische (sinnliche) Aktivierung ist gerade für schwer beeinträchtigte oder bettlägerige Personen wichtig, damit die Wahrnehmungsfähigkeit nicht „verkümmert“.

Gut zu wissen!

Oft greifen die verschiedenen aktivierenden Maßnahmen ineinander. Für einen schwerhörigen Menschen können beispielsweise gut eingestellte Hörgeräte wichtig sein, damit er sensorisch aktiviert bleibt. Zugleich ist gutes Hören auch eine wesentliche Voraussetzung dafür, um geistig fit und sozial integriert zu bleiben.

Aktivierende Pflege: Beispiele für die Umsetzung

Wie lassen sich aktivierende Maßnahmen nun konkret umsetzen? Natürlich hängt das immer von den speziellen Voraussetzungen des Pflegebedürftigen ab. Exemplarisch seien hier folgende Maßnahmen genannt:

Aktivierende Waschung

Eine aktivierende Waschung wirkt durch den Sinnesreiz des Wassers auf körperlicher und psychischer Ebene belebend. Man setzt sie etwa bei Personen mit Bewusstseinstrübung, Antriebslosigkeit oder Durchblutungsstörungen ein. Sie dient in erster Linie zur Aktivierung, nicht zur Körperpflege.

Und so funktioniert es: Der Pflegebedürftige wird mit einem tropfnassen, möglichst rauen Waschlappen gegen die Haarwuchsrichtung gewaschen. Die Pflegekraft übt dabei einen angemessenen Druck aus, damit der Pflegebedürftige seine Körpergrenzen gut spürt. Die Wassertemperatur sollte mit ca. 27° C relativ kühl sein, um Körper und Geist anzuregen.

Achtung!

Eine aktivierende Waschung wirkt blutdruckerhöhend. Sie eignet sich daher nicht für Bluthochdruck-Patienten oder Personen mit einem erhöhten Gehirndruck.

Körperpflege in angepasster Seitenlage

Bettlägerige Personen können bei ihrer Körperpflege oft gut mithelfen, wenn man sie in eine geeignete Position bringt. Am besten eignet sich dazu eine stabile Seitenlage. Die Waschschüssel wird direkt vor dem Oberkörper des Patienten in Greifnähe aufgestellt. Im besten Fall kann der Pflegebedürftige nun mit einem Waschlappen seinen Kopf, Oberkörper, Intimbereich und seine Oberschenkel selbst waschen. Ist das nicht möglich, dann führt die Pflegekraft seine Hand.

Aktivierende Pflege bei Demenz

Demenzkranke Menschen profitieren gerade im Anfangsstadium von einem gezielten Gedächtnistraining. So lässt sich der Krankheitsverlauf zumindest verzögern. Studien haben gezeigt, dass darüber hinaus auch körperliches Training für Angehörige mit Demenz wichtig ist. Regelmäßige körperliche Übungen verbessern nicht nur die Mobilität und die Stimmung, sondern können offenbar auch den geistigen Abbau verlangsamen.

Wie lassen sich aktivierende Maßnahmen in der häuslichen Pflege umsetzen?

Auch in der häuslichen Pflege ist es sinnvoll, den Pflegebedürftigen gezielt zu fordern und zu fördern, anstatt ihm jeden Handgriff abzunehmen. Das entlastet Sie als Angehörige und fördert das Selbstwertgefühl des Pflegebedürftigen, der sich oft unnütz und als Last empfindet. Hier einige Tipps:

  • Holen Sie professionellen Rat ein. Sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt oder besuchen Sie einen Pflegekurs, um bei der Planung und Durchführung der Pflege mehr Sicherheit zu gewinnen.
  • Lassen Sie sich über geeignete Hilfsmittel beraten. Durch Haushaltsgegenstände wie An- und Ausziehhilfen, Transport-Rollatoren oder Essbesteck mit verstärkten Griffen können körperlich beeinträchtigte Menschen viele Alltagssituationen selbstständig bewältigen.
  • Sorgen Sie für soziale Kontakte. Vielleicht gibt es in Ihrer Umgebung Tagesbetreuungs-Angebote für Senioren, die auch Sie als Pflegende entlasten.
  • Lassen Sie Ihren Angehörigen im Haushalt mithelfen, soweit er das kann und möchte.

Achtung!

Eine aktivierende therapeutische Pflege soll den Betroffenen weder unter- noch überfordern. Bleiben Sie daher im Dialog mit Ihrem Angehörigen und besprechen Sie mit ihm und dem behandelnden Arzt, was er selbst bewältigen kann und wobei er Hilfe braucht.

Aktivierende Pflege: Welche Nachteile oder Grenzen sind zu beachten?

Eine aktivierende Pflege kann neben Vorteilen auch Nachteile haben. So dauern Pflegehandlungen oft länger, wenn der Pflegebedürftige selbst „mit anpacken“ soll. Gerade in Pflegeeinrichtungen mit knappem Personalstand ist es daher schwierig, eine aktivierende Pflege konsequent umzusetzen.

Dazu kommt, dass Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen manchmal nicht einsehen, warum der alte oder kranke Mensch bei seiner Pflege mithelfen soll. Denn natürlich kann es für einen Pflegebedürftigen beschwerlich sein, wenn er Dinge tun soll, die bisher andere für ihn übernommen haben. Hier ist es wichtig, die Vorteile einer aktivierenden Pflege (Förderung der Selbstständigkeit, Erhalt körperlicher und geistiger Fähigkeiten) klar zu kommunizieren.

An ihre Grenzen kommt die aktivierende Pflege auch:

  • wenn ein Pflegebedürftiger im Sterben liegt (Pallitivpflege)
  • wenn eine Person akut erkrankt ist oder unter starken Schmerzen leidet
  • wenn eine Kommunikation mit dem Pflegebedürftigen nicht mehr möglich ist

FAQ - Häufige Fragen zur aktivierenden Pflege