Die Menschen hierzulande verbringen viel Zeit im Sitzen. In einer Studie geben 38 % der Befragten mit einem Lebensalter ab 66 Jahren an, 8 Stunden und mehr täglich zu sitzen.[1] Personen mit einem Pflegegrad könnten diese Sitzzeit sogar noch überschreiten – durch körperliche Beeinträchtigungen fehlt es ihnen häufig an Abwechslung mit Blick auf die Körperpositionen. Gleichzeitig kann auch das Sitzen zur Herausforderung werden. Nämlich dann, wenn Fehlhaltungen oder Instabilitäten bestehen. In dem Fall können Sitzhilfen unterstützen.
Wir verraten Ihnen, welche Sitzhilfen es gibt und wann der Einsatz sinnvoll ist. Außerdem erklären wir Ihnen, wie Sie die Krankenkasse an den Kosten für eine Sitzhilfe beteiligen.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Sitzhilfe kommt bei Menschen zum Einsatz, die Instabilitäten und Fehlhaltungen beim Sitzen aufweisen.
- Bei Sitzhilfen handelt es sich um Hilfsmittel, die im Hilfsmittelkatalog des GKV-Spitzenverbandes aufgeführt sind.
- Sitzschalen, Therapiestühle und Autositze für Kinder mit Behinderungen zählen unter anderem zu den Sitzhilfen.
- Mediziner können bei einer hinreichenden Begründung eine Sitzhilfe verordnen.
- Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Sitzhilfe, wenn diese medizinisch notwendig ist.
- Versicherte müssen bei einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse lediglich den gesetzlich verankerten Zuschuss in Höhe von maximal 10 Euro pro Hilfsmittel zahlen.
Was sind Sitzhilfen?
Sitzhilfen sind Hilfsmittel. Sie sind deshalb im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes gelistet. Menschen, die ausgeprägte Sitzfehlhaltungen oder Sitzhaltungsinstabilitäten aufweisen, können von einer Sitzhilfe profitieren. Betroffenen fällt es nämlich schwer, auf gängigen Möbeln beschwerdefrei zu sitzen, zum Beispiel weil sie durch eine Fehlhaltung mit der Zeit Schmerzen entwickeln. Eine Sitzhilfe hat das Ziel, beschwerdefreies Sitzen zu ermöglichen, und zwar unter Berücksichtigung einer physiologisch günstigen Position.[1] Das Hilfsmittelverzeichnis unterscheidet verschiedene Sitzhilfen, die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Versicherten nehmen. Alle Produkte sind für den Heimgebrauch vorgesehen und werden bei Erfüllung der Voraussetzungen von der Krankenkasse übernommen.
Wer benötigt eine Sitzhilfe?
Sitzhilfen sind für Menschen gedacht, die Fehlhaltungen oder Instabilitäten beim Sitzen zeigen. Warum Probleme beim Sitzen bestehen, ist sehr unterschiedlich. Häufig liegt eine angeborene oder erworbene Schädigung im Bereich des Rumpfes oder eine Funktionsstörung des Bewegungsapparates vor. Personen mit Multiple Sklerose oder Muskeldystrophie können beispielsweise Beschwerden beim Sitzen entwickeln. Die Sitzhilfe kann dabei helfen, eine Behinderung auszugleichen und beschwerdefrei zu sitzen. Ganz konkret verfolgen Sitzhilfen das Ziel, die Körperposition auszurichten und zu stabilisieren, damit Betroffene an ihrer Umgebung teilhaben können. Außerdem tragen Sitzhilfen dazu bei, Druck zu reduzieren. Auch im Pflegealltag sind Sitzkissen entscheidend, denn sie können beispielsweise die Nahrungsaufnahme und Körperpflegemaßnahmen erleichtern.
Sitzhilfen: Hilfsmittel im Überblick
Das Hilfsmittelverzeichnis führt unterschiedliche Hilfsmittel für den Alltag auf, darunter auch solche, die das Sitzen beschwerdefrei gestalten können. Sie finden die entsprechenden Produkte im frei zugänglichen Hilfsmittelkatalog unter der Kategorie 26 „Sitzhilfen“.
Folgende Sitzhilfen sind im Hilfsmittelverzeichnis gelistet:
- Sitzschalen
- Modulare Kindersitzsysteme
- Therapiestühle
- Autositze für Kinder mit Behinderungen
- Arthrodesenkissen und –stühle
- Fahrgestelle für Sitzschalen
1. Sitzschalen
Sitzschalen sind für Menschen gedacht, denen es an Stabilität im Rumpfbereich fehlt oder die in dem Körperareal ausgeprägte Deformitäten aufweisen. Die Hilfsmittel sollen hier entlasten, lagern oder (soweit möglich) korrigieren. Möglich macht das eine Konstruktion mit Stütz- und/oder Lagerungseigenschaften. Entsprechende Modelle umfassen den Körper und können das Becken aufrichten oder das Becken bzw. den Thorax seitlich stützen. Da sich Kinder und Jugendliche noch im Wachstum befinden, ist der Einsatz des Hilfsmittels bei Ihnen besonders empfehlenswert, sofern es an Rumpfstabilität mangelt. Rechtzeitig und sachgerecht eingesetzt, kann eine Sitzschale der Entwicklung von Fehlhaltungen und Deformitäten vorbeugen oder das Voranschreiten ausbremsen.2
Sitzschalen werden im Hilfsmittelverzeichnis unterteilt in:
- Konfektionierte Sitzschalen: Diese Sitzschalen sind als starre Sitzschalenmodule und Sitzschalenmodule mit einer Rückenverstellung erhältlich. Eine industriell gefertigte Sitzschale dient als Grundgerüst. Sie besteht aus einer Außenschale, gefertigt aus Alu oder Kunststoff. Mit einer passgerechten Polsterung im Bereich der Sitzfläche und Rückenregion wird das Produkt komfortabel gestaltet, gegebenenfalls kommt auch Zubehör wie eine Kopfstütze zum Einsatz. Der Vorteil von konfektionierten Sitzschalen ist, dass sie meist schneller zur Verfügung stehen als individuell angefertigte Produkte. Außerdem können sie an den wachsenden Nutzer angepasst werden und nehmen Rücksicht auf krankheitsbedingte Veränderungen.2
- Individuell angepasste Sitzschalen unter Verwendung von Rohlingen: Dabei kommen industriell vorgefertigte Module zur Anwendung. Eine individuelle Anpassung gelingt mit einer auf den Nutzer zugeschnittenen Innenschale und Außenschale. Das Polster wird mithilfe eines Aufmaßes, Abdruckes oder mittels Vakuum-Abform-Verfahren angepasst.2
- Individuell angefertigte Sitzschalen: Hier steht eine individuelle Anpassung im Vordergrund. Nachdem die Körpermaße des Versicherten genommen oder ein Formabdruck angelegt wurde, beginnt die individuelle Fertigung. Mit individuell angefertigten Sitzschalen erhält der Betroffene ein Hilfsmittel, das an seine Körperform angepasst ist – ändert sich die Körperform, ist eine Angleichung nur sehr eingeschränkt möglich. Erzielt die Sitzschale keine Sitzfähigkeit, ist möglicherweise eine individuell gefertigte Ganzkörperliegeschale eine Alternative.2
Gut zu wissen!
Damit die Sitzschale das Versorgungsziel erreicht, ist es wichtig, den Einsatz genau zu begründen und regelmäßig zu kontrollieren – entweder durch die behandelnden Ärzte, Therapeuten oder Leistungserbringer.2
2. Modulare Kindersitzsysteme
Modulare Kindersitzsysteme richten sich speziell an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Sie können alternativ zu Sitzschalen eingesetzt werden. Die Hilfsmittel bestehen aus einem Sitzteil, Rückenteil und Seitenteil – all diese Komponenten können in unterschiedlichen Formen und Größen individuell zusammengesetzt werden. Um den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, ist es auch bei den modularen Kindersitzsystemen wichtig, das Hilfsmittel und das Zubehör an das Krankheitsbild bzw. an die gegebenen Beeinträchtigungen anzupassen. Modulare Ausführungen sind schneller erhältlich und können nachträglich einfacher an körperliche Veränderungen angepasst werden wie individuell gefertigte Sitzschalen. Welches modulare Kindersitzsystem sich am besten für den Betroffenen eignet, hängt von der Schwere der körperlichen Einschränkung und der Zielsetzung ab.2
Übrigens: Sowohl bei Sitzschalen als auch bei modularen Sitzsystemen sind Fahr- bzw. Untergestelle für den Innenraum und/oder in kombinierter Form für den Innen- und Außenbereich wichtig. Sie ermöglichen eine Mobilität trotz Einschränkung. Möglicherweise ist in dem Zusammenhang auch die Produktgruppe 18 „Kranken-/Behindertenfahrzeuge“ interessant.2
3. Therapiestühle
Eine Krankheit mit entsprechenden Folgen oder eine Behinderung kann es Kindern und Jugendlichen unmöglich machen, auf gewöhnlichen Sitzmöbeln zu sitzen. In diesem Fall können Therapiestühle als Sitzhilfen dienen. Die speziellen Stühle sind so gebaut, dass sie über viele Verstellmöglichkeiten verfügen – Bedienende können den Therapiestuhl in jede Richtung verstellen. Auch bei Therapiestühlen gibt es viele Möglichkeiten einer individuellen Anpassung, zum Beispiel mit verschiedenen Zubehörteilen oder Sicherungs- bzw. Unterstützungssystemen zur Positionierung. Therapiestühle können ebenfalls mithilfe einer modularen Bauweise gefertigt werden – dabei werden verschiedene Komponenten nach dem Baukastenprinzip zusammengestellt.2
4. Autositze für Kinder mit Behinderungen
Um Kinder mit Behinderungen mit dem Auto beispielsweise zu Therapieangeboten, Arztterminen oder Freizeitangeboten zu fahren, sind möglicherweise spezielle Autokindersitze und Autorückhaltesysteme nötig. Natürlich hat auch hier die Sicherheit oberste Priorität, deshalb sind behindertengerechte Autokindersitze, Autorückhaltesysteme und das Zubehör so gefertigt, dass sie Betroffenen Schutz bieten und gleichzeitig komfortabel sind. Eine individuelle Anpassung ist mittels der Konstruktionen bzw. Formen möglich.
Gut zu wissen!
Autositze für Kinder mit Behinderungen ähneln herkömmlichen Kindersitzen fürs Auto. Sie können beispielsweise bei einer Hüftdysplasie zum Einsatz kommen, dabei ermöglichen sie die nötige Beinspreiz-Therapiestellung.
5. Arthrodesenkissen und –stühle
Arthrodesensitzkissen nutzen Menschen mit einer Schädigung der Hüft- oder Kniegelenke. Dadurch, dass Betroffene im Beugen der Hüft- und/oder Kniegelenke sehr eingeschränkt sind, profitieren sie von einer Entlastung beim Sitzen. Diese Entlastung können Arthrodesensitzkissen bieten, wenn herkömmliche Kissen oder Keilkissen nicht den gewünschten Effekt bringen. Arthrodesensitzkissen legen Betroffene einfach auf die Sitzmöbel auf, sie ermöglichen dann ein an die Behinderung angepasstes Sitzen.[1]
6. Fahrgestelle für Sitzschalen
Um Menschen mit Sitzproblemen mehr Mobilität zu ermöglichen, gibt es spezielle Fahrgestelle für Sitzschalen. Sie setzen sich aus einem Rohrrahmen mit Schiebestange oder Schiebegriffen zusammen und eignen sich für den Innenraum/Außenbereich. Die Fahrgestelle verfügen über zwei lenkbare Räder im Vorderbereich und über zwei größere Räder im hinteren Bereich – diese sind starr am Rahmen angebracht. Mittels Druck- oder Trommelbremsen kann das Fahrgestell inklusive Sitzschale zum Stehen gebracht werden. Jedes Fahrgestell verfügt über eine Aufnahmevorrichtung, mit der die Sitzschale befestigt wird. Manchmal gibt es auch die Möglichkeit, die Sitzschale in der Höhe zu verstellen. Einige Modelle stellen eine Radstandverlängerung bereit, um die Kippgefahr zu verringern.2
Sitzhilfen: Kosten und Kostenübernahme
Sitzhilfen kosten unterschiedlich viel, hier kommt es nicht nur auf den Hersteller und das Modell, sondern auch auf die Fertigung an. Ein Sitzkissen ist in der Regel deutlich günstiger wie eine individuell angefertigte Sitzschale. Wenn Sie eine Sitzhilfe medizinisch verordnet bekommen haben, müssen Sie sich jedoch über die Kosten keine Gedanken machen. In diesem Fall engagiert sich die Krankenkasse. Gibt sie ihr Einverständnis zur Kostenübernahme, kommt auf Sie lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung zu.[1] Diese beträgt mindestens 5 Euro, aber höchstens 10 Euro pro Hilfsmittel.[2]
Voraussetzungen für die Übernahme von Sitzhilfen
Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Sitzen haben, steht Ihnen nicht automatisch eine Sitzhilfe zu. Zunächst muss der behandelnde Arzt eine hinreichende Begründung für den Einsatz des Hilfsmittels bestätigen. Bei Interesse an einer Sitzhilfe, sprechen Sie am besten Ihren Mediziner an – fragen Sie ganz konkret, ob sich das Hilfsmittel in Ihrem Fall anbietet.
Folgende Voraussetzungen müssen Sie mitbringen, damit sich die Krankenkasse an den Kosten für die Sitzhilfe beteiligt:
- Ihr behandelnder Arzt, beispielsweise der Hausarzt oder Orthopäde, hat festgestellt, dass Sie die Sitzhilfe im Alltag benötigen, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung.
- Der Mediziner stellt Ihnen eine ärztliche Verordnung für die Sitzhilfe aus.
Sitzhilfe in 3 Schritten beantragen: So gehen Sie vor
Sie möchten eine Sitzhilfe beantragen, wissen aber nicht so recht, wie die konkreten Schritte aussehen? Kein Problem, wir helfen Ihnen dabei.
- Schritt – Vereinbaren Sie einen Termin beim Mediziner: Damit die Krankenkasse die Kosten für die Sitzhilfe übernimmt, muss sie einen konkreten Bedarf erkennen. Genau das gelingt mit einer medizinischen Verordnung – sie signalisiert den Mitarbeitern bei der Krankenkasse, dass Sie das Hilfsmittel im Alltag benötigen. In einem ersten Schritt sollten Sie also das Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt aufnehmen.
- Schritt – Informieren Sie sich über Krankenkassen-Kooperationspartner: Ihr Krankenversicherer geht mit verschiedenen Leistungserbringern Kooperationen ein. Das dient dazu, Ihnen die richtigen Informationen zum Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und Sie mit der Sitzhilfe zu versorgen. So kann zum Beispiel ein Sanitätshaus der richtige Ansprechpartner für Sie sein. Welche Kooperationen bestehen, erfahren Sie bei der Krankenkasse. Entweder, Sie rufen direkt beim Versicherer an oder nutzen die Onlinesuche, die mittlerweile viele Krankenkassen bereitstellen. Wichtig: Der Leistungserbringer sollte in Ihrer unmittelbaren Nähe sein, damit Sie keinen langen Fahrtweg haben.
- Schritt – Geben Sie die ärztliche Verordnung weiter: Sie haben einen Kooperationspartner, zum Beispiel ein Sanitätshaus, in Ihrer Nähe gefunden? Prima! Nun müssen Sie dort nur noch die ärztliche Verordnung abgeben. Um alles Weitere kümmern sich die Mitarbeiter des Leistungserbringers. Falls Sie weitere Informationen oder eine weitergehende Beratung brauchen, können Sie sich jederzeit an den Leistungserbringer wenden.
3 Tipps für die Anwendung einer Sitzhilfe
Sitzhilfen können den pflegerischen Alltag deutlich vereinfachen, indem sie die Nahrungsaufnahme, Mobilität und natürlich das Sitzen erleichtern. Wir möchten Ihnen nun noch einige Tipps mitgeben.
- Machen Sie sich mit der Sitzhilfe vertraut: Wenn Sie zuvor keine Sitzhilfe verwendet haben, ist der Umgang zunächst ungewohnt. Doch keine Sorge, die meisten Sitzhilfen sind selbsterklärend. Außerdem erhalten Sie eine Einweisung vom Leistungserbringer und Herstellerinformationen an die Hand. Nehmen Sie sich genug Zeit, um sich mit den Systemen vertraut zu machen. Beschäftigen Sie sich beispielsweise damit, wie Sie ein Kind im Kindersitz sicher anschnallen. Am besten üben Sie das zunächst in einer stressfreien Atmosphäre. Sind Sie mit dem System vertraut, steht dem Einsatz nichts mehr im Weg. Bei Fragen können Sie sich jederzeit an den Leistungserbringer wenden.
- Halten Sie Hygienemaßnahmen ein: Im Pflegeumfeld tragen Hygienemaßnahmen dazu bei, Keime zu reduzieren und so das Infektionsrisiko zu minimieren. Sitzhilfen sind in der Regel täglich im Einsatz und sollten deshalb in die Hygieneroutine mit eingebunden werden. Informieren Sie sich am besten beim Hilfsmittelversorger, mit welchen Reinigern Sie die Sitzhilfe säubern dürfen. Bei empfindlichen Materialien verzichten Sie besser auf Desinfektionsmittel.
- Melden Sie sich bei Problemen: Der Einsatz von Sitzhilfen sollte regelmäßig von Therapeuten, Ärzten oder Leistungserbringern überprüft werden. Bemerken Sie zwischendurch, dass sich die Sitzhilfe nicht komfortabel anfühlt oder sogar zu Druckstellen führt, melden Sie sich bitte umgehend bei dem Leistungserbringer. Erkrankungen können voranschreiten und zu größeren Beeinträchtigungen führen. Gegebenenfalls ist deshalb mit der Zeit die Anschaffung einer neuen Sitzhilfe nötig.