Amyotrophe Lateralsklerose, besser bekannt unter der Abkürzung ALS, ist eine schwere Erkrankung des motorischen Nervensystems. Betroffene verlieren im Verlauf der Krankheit die Kontrolle über ihre Muskeln. ALS ist nicht heilbar, doch mit passender Therapie, Hilfsmitteln und engmaschiger pflegerischer Unterstützung lässt sich die Lebenserwartung verlängern und die Lebensqualität deutlich verbessern. Wichtig ist dafür eine gute Kenntnis über die Erkrankung, ihre Entwicklung und Hilfsmöglichkeiten.

Das Wichtigste in Kürze

  • ALS ist eine schnell voranschreitende, unheilbare Erkrankung, bei der die motorischen Nervenzellen in Gehirn, Rückenmark und den Fortsätzen zur Muskulatur kaputt gehen.
  • Symptome sind Muskelschwäche, Steifigkeit, unwillkürliche Muskelzuckungen und Krämpfe in einzelnen Körperregionen, die schließlich zur Muskellähmung im ganzen Körper führen.
  • Erkrankte können weiterhin Berührungen genießen, Schmerzen empfinden, uneingeschränkt sehen, hören, riechen und schmecken.
  • Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.
  • ALS verläuft unterschiedlich schnell, schreitet stetig voran, ist nur bedingt behandelbar und bedeutet meist eine deutlich verkürzte Lebenserwartung.
  • An ALS erkranken in Deutschland jährlich etwa 2000 Menschen. Die Krankheit gilt somit als selten.

Definition: Was ist ALS?

Amyotrophe Lateralsklerose, kurz: ALS, ist eine sogenannte degenerative Erkrankung. Das heißt, dass im Verlauf der Krankheit immer weitere Nervenzellen im Körper dauerhaft geschädigt werden und nicht mehr funktionieren. Bei ALS sind davon ausschließlich motorische Nervenzellen betroffen, also die Zellen, die für das willkürliche Bewegen der Muskeln nötig sind. Diese heißen Motoneuronen. Die Erkrankung erfasst sowohl die oberen Motoneuronen im Gehirn und im Rückenmark als auch die unteren Motoneuronen, die vom Rückenmark zu den einzelnen Muskeln führen.

Gut zu wissen!

ALS ist nicht zu verwechseln mit MS, also Multipler Sklerose. Auch wenn in beiden Fällen das Nervensystem betroffen ist, handelt es sich um zwei völlig verschiedene Erkrankungen mit sehr unterschiedlicher Behandlung und Lebenserwartung. Eine genaue Diagnose ist deshalb wichtig.

Konkret bedeutet das, dass Betroffene zunächst eine Muskelschwäche oder Steifigkeit in einzelnen Körperpartien spüren. Das kann beispielsweise eine Hand oder ein Fuß sein. Oft berichten Erkrankte auch von unwillkürlichen Muskelzuckungen und Muskelkrämpfen. Im Laufe der Zeit greift die Erkrankung von dort auf benachbarte Muskelgruppen über. Irgendwann lassen sich die betroffenen Körperteile nicht mehr bewusst bewegen.

Verlauf

Wie schnell das geschieht, ist unterschiedlich. Teils vergehen nur wenige Wochen, teils mehrere Monate, bis sich eine weitere Verschlechterung bemerkbar macht. Sicher ist bei ALS allerdings, dass die Erkrankung stetig voranschreitet, bis schließlich die gesamte Skelettmuskulatur betroffen ist. Irgendwann können Betroffene meist nur noch die Augen bewegen. Eine künstliche Ernährung und zumindest zeitweise Beatmung ist in der Regel im Laufe der Erkrankung notwendig.

Erste Symptome

Die Amyotrophe Lateralsklerose tritt meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Nur etwa zehn Prozent erkranken vor dem 40. Lebensjahr. Insgesamt sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen. Typische erste Symptome sind „Ungeschicklichkeiten“ aufgrund schmerzloser Lähmungen einzelner Körperregionen, die schleichend beginnen und sich stetig verschlimmern. Welche Beschwerden genau auftreten und wie schnell sich die Krankheit entwickelt, ist individuell.

Spinale Form

Bei 60 bis 70 Prozent der Erkrankten ist zunächst das Rückenmark und damit die Beweglichkeit von Händen und Unterarmen oder Füßen und Unterschenkeln betroffen. Typische Symptome sind:

  • ungewöhnliche Steifigkeit, Ungeschicklichkeit oder Schwäche in einer Hand oder einem Arm,
  • häufiges Stolpern und ein zunehmend „eckiger“ Gang,
  • unerklärliche Krämpfe in einem Arm oder einem Bein.

Wenn die Füße betroffen sind, ist das Sturzrisiko bereits im frühen Krankheitsstadium erhöht.

Im Anfangsstadium können Ärzte erste Einzeldiagnosen stellen, zum Beispiel:

  • Faszikulationen = unwillkürliche, schmerzlose Zuckungen innerhalb der Muskeln
  • Paresen = schmerzlose Lähmungen
  • Spastiken = erhöhte Muskelspannung bis hin zu Versteifungen
  • Muskelatrophie = Muskelschwund, bemerkbar durch Kraftlosigkeit

Bulbäre Form

Bei etwa 30 bis 40 Prozent der ALS-Patienten ist als erstes der Hirnstamm betroffen. Dadurch haben Erkrankte zunehmend Probleme beim Sprechen, Kauen und Schlucken. Medizinisch ist die Rede von

  • Dysarthrie = Sprechstörung
  • Dysphagie = Schluckstörung
  • Laryngospasmen = kurzzeitige Muskelkrämpfe im Schlund

Als unangenehm beschreiben Erkrankte auch unwillkürliche Lach- oder Weinkrämpfe, die sie nicht kontrollieren können, weil sie durch spontane Verkrampfungen der entsprechenden Muskeln ausgelöst werden. Je schlechter Betroffene die Gesichtsmuskulatur kontrollieren können, desto undeutlicher wird ihre Aussprache und desto größer ist die Gefahr, sich selbst an kleinen Häppchen zu verschlucken. Gelangen Speisen oder Getränke in die Luftröhre, kann das zu lebensbedrohlicher Atemnot und schwerer Lungenentzündung führen.

Respiratorische Form

Nur selten ist von Anfang an die Atemmuskulatur betroffen. Dann macht die ALS sich dadurch bemerkbar, dass Erkrankte schnell Atemprobleme bekommen, wenn sie sich anstrengen. In diesen Fällen sind kurze Zeit später auch entweder Hände oder Füße oder die Gesichtsmuskulatur zusätzlich von Funktionsausfällen betroffen.

Gut zu wissen!

Üblicherweise sind weder der Herzmuskel noch die Muskeln zur Funktion von Blase und Darm betroffen. Diese Muskeln funktionieren automatisch und werden deshalb meist nicht von einer ALS beeinflusst. Interessanterweise können Erkrankte in aller Regel auch die Augenmuskulatur bis zum Ende willentlich bewegen. Die Gründe dafür sind noch nicht erforscht.

Diagnose

ALS kann von einem Neurologen oder einer Neurologin diagnostiziert werden. Zur Sicherung der Diagnose werden Betroffene im Idealfall an ein neuromuskuläres Zentrum überwiesen. Diese Zentren gibt es in ganz Deutschland. Dort arbeiten verschiedene Fachleute, die langjährige Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung von ALS und weiteren neuromuskulären Erkrankungen haben. In interdisziplinären Teams arbeiten je nach Bedarf beispielsweise Kardiologen, Neuropsychologen, Orthopäden, Pneumologen, Rheumatologen, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Sozialarbeiter mit den Neurologen zusammen.

Zum Erkennen einer ALS werden die Funktionsweise der Muskulatur, die Reflexe sowie die Fähigkeiten zu sprechen und zu schlucken untersucht. Blut, Urin und Liquor, also Nervenwasser, werden analysiert. Außerdem müssen verschiedene weitere Funktionen des Nervensystems überprüft werden, um herauszufinden, ob es sich wirklich um ALS oder eine andere Erkrankung handelt. Das bedeutet je nach Symptomen etwa eine Elektromyographie (EMG), die den Befall des peripheren Nervensystems beweisen kann, Untersuchungen der Nervenleitgeschwindigkeit, eine Kernspintomographie, eine Magnetresonanztomographie oder weiteres.

Gut zu wissen!

Es gibt bestimmte Symptome, die gegen eine ALS-Erkrankung sprechen. Das sind zum Beispiel Gefühlsstörungen, Nervenschmerzen oder geistige Einschränkungen. Treten diese Symptome gemeinsam mit muskulären Problemen auf, handelt es sich vermutlich um eine andere Erkrankung, die möglicherweise auch besser behandelbar ist. Eine ausführliche Untersuchung ist daher nötig.

Ursachen

Die genauen Ursachen einer ALS sind bisher nicht vollständig erforscht. Das liegt auch daran, dass die Erkrankung vergleichsweise selten auftritt und daher nicht viele Forschungsmittel zur Verfügung stehen. Durch die Ice Bucket Challenge in den sozialen Medien im Sommer 2014 kam es jedoch weltweit zu einem sehr hohen Spendenaufkommen, wodurch deutlich mehr Studien angestoßen werden konnten als in den Jahren zuvor.

Gut zu wissen!

Bei der Ice Bucket Challenge haben sich Menschen weltweit einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf geschüttet oder schütten lassen. Der dadurch ausgelöste kurze Schockzustand inklusive Atemnot sollte ein Gefühl dafür vermitteln, wie ALS-Erkrankte sich im Endstadium immer fühlen. Im Laufe der Challenge ging der ALS-Bezug jedoch teilweise verloren. Ursprünglich bestand die Challenge darin, das Eiswasser auszuhalten, davon ein Foto in den sozialen Medien zu posten und anschließend drei Personen zum Nachmachen zu animieren. Wer das nicht tat, sollte mindestens 100 Euro oder Dollar an eine ALS-Organisation spenden. Viele, vor allem berühmte Persönlichkeiten, haben mitgemacht und gespendet, was kurzfristig einen enormen Spendenschub ausgelöst hat.

Mittlerweile ist bekannt, dass Gendefekte bei bestimmten Eiweißmolekülen im Körper typisch für geschädigte Nervenzellen bei ALS sind. Die Eiweiße verändern sich durch die Erkrankung, sodass Zusammenballungen entstehen. Irgendwann sind die betroffenen Nervenzellen so stark überladen, dass sie nicht mehr reagieren können. Der Prozess wird Proteinopathie genannt.

Warum genau die Eiweiße auf diese Art verklumpen, ist noch nicht wissenschaftlich geklärt. Nur in etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle spielen genetische Faktoren eine Rolle. Ansonsten sind vermutlich Umweltfaktoren für die Gendefekte verantwortlich. Auch eine Fehlfunktion des Immunsystems könnte eine Rolle spielen.

Behandlung

ALS ist nicht heilbar. Doch es gibt wenige Medikamente, die in der Lage sind, das Fortschreiten der Erkrankung etwas hinauszuzögern. Außerdem kann durch die Behandlung einzelner Symptome sowohl der Krankheitsverlauf etwas verlangsamt, als auch die Lebensqualität verbessert werden. Um die Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten, sind außerdem Hilfsmittel sehr wichtig.

Lebenserwartung mit ALS

Unbehandelt führt ALS bei etwa 90 Prozent der Betroffenen innerhalb von fünf Jahren zum Tod. Durch die passende Behandlung kann die Lebenserwartung um einige Monate bis hin zu vielen Jahren verbessert werden. Von den restlichen zehn Prozent leben einige noch deutlich länger als zehn Jahre nach ihrer Diagnose. Warum die Verläufe so unterschiedlich sind, ist noch unbekannt. Klar ist aber: Je früher und besser die Behandlung ist, desto besser stehen die Chancen für einen langsamen Verlauf.

Für alle empfohlenen Therapien übernimmt die Krankenversicherung die Kosten. Hilfsmittel müssen allerdings einzeln beantragt werden, um eine Finanzierung oder zumindest einen Zuschuss zu erhalten. Teilweise gibt es diese von der Kranken-, teilweise von der Pflegeversicherung. Um Gelder von der Pflegeversicherung zu erhalten, ist ein Pflegegrad notwendig. Wie Sie diesen beantragen, erklärt unser Artikel „Pflegegrad bei ALS“.

Medikamentöse Behandlung

Das wichtigste und in Deutschland bisher einzige zur ALS-Behandlung zugelassene Medikament ist Riluzol. Es ist in der Lage, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Je früher es eingenommen wird, desto mehr Lebensmonate und -qualität gewinnen die Patienten.

Forschung

An weiteren Medikamenten wird weltweit geforscht. In einigen Ländern wird das Medikament Edavorone zur Behandlung einer bestimmten Untergruppe von ALS-Erkrankten verwendet. Es wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) bisher aber nicht zugelassen.

Das Medikament Rituximab, das zur Behandlung bestimmter Immunerkrankungen eingesetzt wird, könnte bei einer bestimmten Untergruppe von ALS-Erkrankten ebenfalls das Voranschreiten deutlich verlangsamen. In einer deutschen Studie wird diese Zufallsbeobachtung aktuell erforscht.

Auch weitere Mittel werden auf ihre Wirksamkeit erforscht. Wenn Neurologen nach der ALS-Diagnose den Eindruck haben, dass Medikamente, die zur Behandlung anderer Erkrankungen oder in anderen Ländern zugelassen sind, im konkreten Einzelfall eine deutliche Verbesserung darstellen könnten, ist es in Absprache mit der betroffenen Person möglich, dieses Medikament im sogenannten Off-Label-Use zu nutzen. Das ist mit erhöhtem Aufwand und Kosten verbunden, aber prinzipiell möglich. Deutlich wichtiger ist aber die Behandlung der einzelnen Symptome.

Symptomatische Behandlung

Eine ALS-Erkrankung verläuft sehr unterschiedlich. Entscheidend für den Verlauf und die Lebensqualität ist es, die auftretenden Symptome gezielt zu behandeln. Das ist meist gut möglich.

Klassische Behandlungsoptionen sind zum Beispiel:

  • Bei Schluckstörung: Logopädie sowie Reduzierung des Speichelflusses durch Tropfen, Medikamentenpflaster, Injektionen oder Bestrahlung
  • Bei schwacher Hustenmuskulatur: Logopädie sowie Entfernung von zähem Schleim durch Schleimlöser, Absauggeräte oder mechanische Hustenauslöser
  • Bei Krämpfen: Physiotherapie, Massagen, Hydrotherapie sowie die Gabe von Magnesium oder spezifischen Medikamenten
  • Bei Spastiken: Physiotherapie, Wärmebehandlungen, Hydrotherapie sowie die Gabe von Cannabis oder spezifischen Medikamenten
  • Bei unangenehmen Lach- und Weinkrämpfen: Gesprächstherapie und bei Bedarf Medikamentengabe

Der Beginn einer ALS-Erkrankung ist meist schmerzfrei. Im Verlauf der Erkrankung kann es aber regelmäßig zu Schmerzen kommen. Dann kann eine Schmerztherapie wie bei anderen Erkrankungen hilfreich sein. Außerdem können im Verlauf der Erkrankung starke Ängste, Panikattacken oder Depressionen auftreten. In diesem Fall zeigen Antidepressiva eine sehr gute Wirkung.

Um Kraft und Ausdauer möglichst lange zu erhalten, ohne dass Betroffene sich regelmäßig überfordern, ist eine frühzeitige Behandlung unbedingt zu empfehlen. Ideal ist eine interdisziplinäre Behandlung, bei der verschiedene Therapeuten zusammenarbeiten. Diese können auch zu unterschiedlichen Hilfsmitteln beraten und Patienten können mit den Therapeuten den Umgang damit üben. Die wichtigsten Therapien für ALS-Erkrankte sind:

Art der Therapie
Wirkung
Ziele (Beispiele)
Physiotherapie verbessert die körperliche Leistungsfähigkeit. • schult die Körperwahrnehmung
• aktiviert nicht-betroffene Muskulatur
• entkrampft betroffene Muskulatur
• beugt Versteifung der Gelenke vor
• lindert Schmerzen
• bietet Informationen, auch für Angehörige, z.B. zu Massagen und Wärmeanwendungen
• Spezielle Atemphysiotherapie hilft im Alltag und beugt Infekten vor.
Logopädie verbessert die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit, lindert Schluckbeschwerden. • stabilisiert die Kommunikation, z.B. durch optimierte Körperhaltung und individuelles Stimmtraining
• verbessert die Atmung zusammen mit Physiotherapie
• trainiert die Schluckmuskulatur, um diese möglichst lange zu erhalten
• übt effektives, kraftsparendes Husten
• leistet Mundpflege
• bietet Informationen, auch für Angehörige, z.B. zu nonverbaler Kommunikation, Mundhygiene, Flüssignahrung und Sondenernährung
Ergotherapie trainiert Alltagsfertigkeiten, verbessert die Lebensqualität. • optimiert Bewegungsabläufe, um Kraft und Ausdauer im Alltag zu sparen
• trainiert alltägliche Aktivitäten, auch neue, etwa Fahren mit einem Rollstuhl
• übt alternative Bewegungen, z.B. Steuerung des Rollstuhls mit Fuß statt Hand
• bietet Training für Angehörige zu optimalen Hilfestellungen im Alltag

Ergänzend können Hydrotherapie, also Anwendungen von und im Wasser, Gesprächstherapie, Musiktherapie und basale Stimulation wohltuend sein. Die genaue Kombination wird zwischen Patienten und Behandlern abgesprochen und ändert sich immer wieder je nach Bedarf.

Hilfsmittel und Pflege

Je weiter ALS voranschreitet, desto mehr sind Erkrankte auf Hilfe angewiesen. Anfangs können Angehörige noch den Großteil der Hilfs- und Pflegetätigkeiten übernehmen. Doch schon kurze Zeit später ist das Arbeiten mit Hilfsmitteln nötig und im Laufe der Zeit eine permanente Unterstützung durch Pflegeprofis unumgänglich. Welche Unterstützung Angehörige übernehmen können und welche Hilfen es von der Pflegeversicherung gibt, erläutern wir im Artikel „Pflege bei ALS“.

Zu den wichtigen Hilfsmitteln zählen bei ALS insbesondere Rollstuhl, Roboterarm, Husten-Assistent, Atemhilfen, später eine Ernährungssonde und ausgeklügelte technische Hilfsmittel, wie ein Spezialrollstuhl und ein Tablet mit Augensteuerung. Diese sollten unbedingt frühzeitig beantragt werden, da manche Hilfsmittel viele tausend Euro kosten und es eine Weile dauern kann, bis die Kranken- oder Pflegeversicherung die Übernahme der Kosten bewilligt. Wenn Betroffene dann die Hilfsmittel bekommen und den Umgang damit erlernt haben, bedeuten sie eine deutliche Steigerung der Lebensqualität, weil Erkrankte trotz des massiven Muskelabbaus weiterhin (eingeschränkt) mobil bleiben und kommunizieren können.

Nur mit Hilfsmitteln ist es möglich, beispielsweise die nachlassende Atemmuskulatur auszugleichen und somit noch länger zu leben, als der Körper allein es schaffen würde. Das wohl berühmteste Beispiel für ein erstaunlich langes Leben mit ALS war der Physiker Stephen Hawking. Nach seiner ALS-Diagnose im Alter von 21 Jahren lebte er noch 55 Jahre mit der Erkrankung. Er forschte und reiste und führte allgemein ein aktives Leben.

In Deutschland ebenfalls recht bekannt ist Christian Bär, der auf seinem Blog MadeByEyes und in seinem Buch „ALS und andere Ansichtssachen“ auf sehr humorwolle Weise Einblick in sein Leben mit ALS gibt. Immer wieder betont er, dass er sich diese Krankheit zwar definitiv nicht ausgesucht hätte, aber auch mit ALS ein Leben mit viel Freude möglich ist. Sein bissiger Humor, seine ungebrochene Lebensfreude und seine guten Ideen, was alles mit Hilfsmitteln, aufmerksamen Pflegepersonen und etwas Kreativität möglich ist, machen vielen Erkrankten und Angehörigen Mut.

Vorsorge

Betroffene sollten sich unbedingt mit den Themen Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung auseinandersetzen. Denn nur mit entsprechenden offiziellen Schreiben ist es möglich, dass nahe Angehörige oder professionelle Betreuungspersonen für einen erkrankten Menschen wichtige Entscheidungen treffen und Anträge organisieren können.

Kostenlose Mustervorlagen, die juristisch geprüft sind, gibt es zum Beispiel auf der Webseite des Bundesministeriums der Justiz. Ein kostenpflichtiges Set mit rechtlich geprüften Mustervorlagen und ausführlichen Ausfüllhilfen bietet beispielsweise die Stiftung Warentest an.

Hilfsangebote

Es gibt in Deutschland verschiedene Hilfsangebote für ALS-Erkrankte und ihre Angehörigen. Das sind insbesondere Informationen zum Krankheitsverlauf und zur Lebensgestaltung, aber auch die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen oder eine Option zum Probewohnen in einer für ALS-Patienten optimal ausgestatteten Wohnung sind möglich. Selbsthilfevereine bieten teilweise auch finanzielle Unterstützung an, um unkompliziert bestimmte Hilfen mitzufinanzieren.

Infos zum Leben mit ALS

Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) hat auf ihrer Webseite dgm.org ausführliche Informationen über das Krankheitsbild ALS zusammengestellt. Dort kann auch ein Handbuch heruntergeladen oder als kostenlose Printversion bestellt werden. Es enthält wertvolle Tipps, die das Leben mit der Erkrankung erleichtern können. Die DGM bietet außerdem eine Sozialberatung und eine Hilfsmittelberatung an.

In Freiburg hat die Gesellschaft zwei Beispielwohnungen so ausgestattet, dass sie für das Leben mit ALS optimal geeignet sind. Interessierte Erkrankte können dort mit einer Begleitperson für einige Zeit zur Probe wohnen und während dieser Zeit die vorhandenen Hilfsmittel, technischen Steuerungssysteme und Mobilitätsunterstützungen austesten. Das Angebot ist kostenpflichtig. Zusätzlich ist eine ausführliche Beratung möglich.

Austausch mit anderen

Eine Diagnose wie ALS ist ein Schock für alle Betroffenen. Dazu zählen neben den Erkrankten auch die Angehörigen. Sehr wohltuend kann der Austausch mit anderen Menschen sein, die gerade ähnliche Erfahrungen machen oder gemacht haben. Ein solcher Austausch ist beispielsweise im Onlineforum der DGM möglich.

Einen Austausch vor Ort sowie organisatorische und finanzielle Hilfe bieten auch Selbsthilfegruppen, ALS-Vereine und Organisationen an. Sie können sich beispielsweise an folgende Vereine des Verbundes ALS Deutschland wenden:

Einblicke ins Leben von Betroffenen

Im ersten Moment wollen die meisten Betroffenen sich gar nicht so genau vorstellen, wie ihr Leben mit ALS in Zukunft aussehen wird. Im zweiten Moment kann es aber sehr hilfreich sein zu sehen, wie andere konkret mit der Erkrankung umgehen und was ihnen im Alltag hilft.

Der lebensfrohe Blog von Christian Bär kann hierfür eine gute Anlaufstelle sein. Zum Thema Hilfsmittel schreibt er beispielsweise in einem Beitrag:

Mit fortschreitender Krankheit steigt der Bedarf an Hilfsmitteln. Das geht bei der Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, meistens recht schnell. So bekam ich im August 2016 meine Verdachtsdiagnose ALS, war für Außenstehende zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar krank und musste bereits im Frühjahr 2017 das erste Mal im Rollstuhl platznehmen. Kurz darauf folgte ein elektrischer Rollstuhl, ein augengesteuerter Sprachcomputer, ein Beatmungsgerät und so weiter. Parallel dazu flogen die Pflegegrade ins Haus… Das ist bei der Erkrankung jetzt kein spektakulärer Verlauf und eher „normal“. (…)

Hilfsmittel können den Verlust meiner Muskulatur nicht annähernd ausgleichen. Dennoch unterstützen sie mich im Alltag und einige der Hilfsmittel geben mir Fähigkeiten, welche sehr wichtig für mich und mein Wohlbefinden sind. Ich gewinne durch sie ein Stück verlorengegangene Freiheit zurück und ich kann durch sie selbstbestimmter agieren. (…)

Ein absolutes Spitzenprodukt und Hilfsmittel, auch von den Kosten, ist ein Roboterarm am Rollstuhl. Diesen empfehle ich bei Bedarf früh zu beantragen. Ein wirklich geniales Teil, dessen Steuerung aber nicht zu unterschätzen ist und Übung erfordert. Gesteuert wird er über die Steuerung des Rollstuhls und solange Sie dies noch, egal mit welchem Körperteil, mit einem Joystick können, ist die Steuerung wesentlich einfacher. Denn wenn Sie das nicht mehr können, bleiben Ihnen womöglich nur noch die Augen, um Ihren Rollstuhl und somit auch den Roboterarm zu steuern. Ich spreche hier aus Erfahrung. 2021 wurde meine Steuerung komplett auf eine Augensteuerung umgestellt und es braucht einiges an Übung, um über mehrere Runden am Stück im Mikado-Spielen einen Punktsieg einzufahren oder beim Tischtennis die Vorhand mit Topspin zu spielen. Wo wir beim nächsten Hilfsmittel wären.

Da ich mittlerweile weder meine Arme und Hände noch meine Beine und Füße zum Steuern des Rollstuhls verwenden kann und auch mein Kopf und mein Mund dafür keine Kraft mehr haben, bleiben mir nur noch meine Augen. Ich nutze zum Steuern jetzt eine spezielle Brille. (…) Steuern bedeutet nicht nur das Fahren, sondern auch um sämtliche Einstellungsmöglichkeiten am Rollstuhl wie zum Beispiel Sitzverstellung, Licht, Bluetooth und so weiter zu nutzen. Selbstständig agieren zu können, ist ein unglaublich befreiendes Gefühl und zudem schmerzlindernd, da ich meine Sitzposition direkt bei Bedarf auf den Millimeter passend einstellen kann.

Wer sich gern ein Bild von verschiedenen Hilfsmitteln machen möchte, kann einen Blick auf den youtube-Kanal von Bruno Schmidt werfen. Der mittlerweile verstorbene Schmidt hat viel Aufklärungsarbeit über die Krankheit ALS betrieben und seine Videos sind noch verfügbar. Der von ihm gegründete Selbsthilfeverein „ALS – Alle lieben Schmidt e.V.“ informiert weiterhin über die Erkrankung und sammelt außerdem Spenden, die Betroffenen und deren Familien unkompliziert Hilfe mitfinanziert, wenn diese nötig ist.

FAQ: häufige Fragen rund um ALS