Eine deutliche Ungeschicklichkeit beim Schreiben, feine Muskelzuckungen, Atemprobleme oder Sprechstörungen – all das können in Abhängigkeit von der Verlaufsform Hinweise auf eine Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) sein.[1] Dabei handelt es sich um eine neurogenerative Erkrankung, hier kommt es also zu einem Verfall des Nervensystems. Ganz konkret betrifft das eine ausgewählte Gruppe von Nervenzellen, die motorischen Nervenzellen (Motoneuronen). Die im Gehirn und Rückenmark befindlichen Nervenzellen sind für die Muskelsteuerung unverzichtbar. Durch die Erkrankung werden sie jedoch zerstört, was zu einer fortschreitenden Muskellähmung führt. Je nach Stadium haben Betroffene dann einen unterschiedlichen Pflegebedarf. Anfangs sind sie oft auf einen Rollstuhl angewiesen, später kann eine künstliche Beatmung notwendig sein.

Wir erklären Ihnen heute, wie der Verlauf der Erkrankung den Pflegebedarf beeinflusst und welche Unterstützungsleistungen es gibt. Außerdem geben wir Ihnen Tipps für die tägliche Pflege.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei ALS handelt es sich um eine schnell voranschreitende neurodegenerative Erkrankung – dies stellt besondere Anforderungen an die Pflege.
  • Angehörige können die Pflege bei ALS auch zu Hause sicherstellen, allerdings ist diese durch das stetig ändernde Beschwerdebild sehr komplex.
  • Für einen erfolgreichen Start in die häusliche Pflege ist eine gute Organisation entscheidend – ehrenamtliche Pflegepersonen können dafür beispielsweise ein Pflegetagebuch führen.
  • Unterstützung erhalten Pflegebedürftige und Angehörige durch die Pflegekasse.
  • Voraussetzung für die Beanspruchung von Pflegekassen-Leistungen ist ein Pflegegrad.

Erste ALS-Symptome – so reagieren Sie richtig

Die Amyotrophe Lateralsklerose zeigt sich meist nach dem 50. Lebensjahr. Verschiedene Symptome erschweren dann den Alltag. Welche Beschwerden auftreten, ist abhängig von der Art bzw. Verlaufsform der Lateralsklerose.

  • Spinale Verlaufsform: Dabei handelt es sich um die häufigste Form – ungefähr 70 % aller ALS-Patienten sind davon betroffen. Dadurch, dass das motorische Vorderhorn, also der vordere Anteil der grauen Substanz des Rückenmarks, in Mitleidenschaft gezogen wird, können sich erste Anzeichen in Form von Muskelkrämpfen oder Muskelschwäche zeigen.[1]

Pflegetipps: Durch Gangunsicherheiten ist die Sturzgefahr bei Betroffenen erheblich höher. Finden Sie am besten heraus, wobei Ihr Familienmitglied Probleme hat – begleiten Sie Ihren Angehörigen beispielsweise beim Treppensteigen. Auch die Körperpflege kann zunehmend Schwierigkeiten bereiten. Unterstützen Sie den Betroffenen bei der Rasur, dem Haarewaschen oder Zähneputzen.

  • Bulbäre Verlaufsform: Bei der zweithäufigsten Form, der bulbären Verlaufsform, sind zunächst die Motoneurone im Hirnstamm betroffen. Sprechstörungen, Kauprobleme und häufiges Verschlucken sind hier charakteristische Beschwerden.3

Pflegetipps: Durch bestehende Schluckstörungen kann es passieren, dass sich Ihr Familienmitglied oft verschluckt. Das kann gefährlich werden, denn so können Getränke oder Nahrungsmittel in die Luftröhre gelangen – eine Lungenentzündung kann die Folge sein. Am besten sind Sie bei der Nahrungsaufnahme anwesend und stellen sicher, dass Ihr Angehöriger möglichst kleine Bissen verzehrt und Getränke in kleinen Schlucken aufnimmt. Betroffene „hamstern“ nicht selten Nahrungsmittel in den Wangentaschen und schlucken sie nicht herunter. Das kann das Wohlbefinden des Pflegebedürftigen einschränken und die Mundgesundheit gefährden. Auch deshalb ist eine Begleitung der Nahrungsaufnahme sinnvoll.

  • Respiratorische Verlaufsform: Diese Verlaufsform ist vergleichsweise selten. Dabei kommt es zu Atemproblemen, wenn sich Betroffene körperlich anstrengen. Im späteren Krankheitsverlauf nehmen die Beschwerden zu.3

Pflegetipps: Am besten begleiten Sie Ihr Familienmitglied während körperlich anstrengender Tätigkeiten. Regelmäßige Ruhepausen sind wichtig. Akute Atemprobleme sollten unbedingt abgeklärt werden, um zu überprüfen, ob eine Lungenentzündung vorliegt.

Pflege bei fortgeschrittenen ALS-Symptomen

Die Amyotrophe Lateralsklerose schreitet stetig fort, was zu immer neuen Beschwerden oder einer stärkeren Ausprägung vorhandener Symptome führt. Mit dem Fortschritt der Amyotrophen Lateralsklerose spielt es keine Rolle mehr, welche Motoneurone ursprünglich zuerst betroffen waren – die Muskelschwäche erfasst nun den gesamten Körper. Patienten haben Probleme mit dem Schlucken, Atmen und der Mobilisation. Bereits vor der Muskelschwäche bemerken Betroffene Krämpfe in den Muskeln. Auch Zuckungen in der Muskulatur (Faszikulationen) oder durch eine zu hohe Muskelspannung auftretende Spastiken sind möglich. Das Gangbild Ihres Familienmitglieds verändert sich nun, es wirkt steif und stockend. Durch die Abnahme der Muskelspannung kann die Ausführung der Bewegungsabläufe auch schludrig wirken. Als Angehöriger bemerken Sie, dass das Gesicht Ihres Familienmitglieds nach und nach an Ausdruck verliert. Nicht nur das erschwert die Kommunikation, sondern auch die sich entwickelnden Sprachstörungen.

Bei fortgeschrittenen ALS-Symptomen gestaltet sich die Pflege vielfältig, ganz nach den Bedürfnissen Betroffener. In der Regel ist nun eine intensive Pflege nötig, die meist rund um die Uhr gewährleistet sein muss. In Absprache mit dem behandelnden Arzt kann eine häusliche Pflege erfolgen, Unterstützung erhalten Familienangehörige unter anderem durch einen ambulanten Pflegedienst.

Gut zu wissen!

Viele Angehörige fürchten sich vor dem Krankheitsfortschritt und sorgen sich um die Lebensqualität ihrer Familienangehörigen. Das ist verständlich, aber auch im fortgeschrittenen Stadium können Betroffene eine Pflege erfahren, die eine gewisse Lebensqualität sicherstellt. Dazu können Sie als pflegender Angehöriger maßgeblich beitragen.

Amyotrophe Lateralsklerose: Verlauf und Prognose

Wie bei anderen Erkrankungen auch, gibt es keinen einheitlichen Verlauf. Wie stark und wie schnell die Amyotrophe Lateralsklerose voranschreitet, ist sehr individuell. Dass die Beschwerden zunehmen, gilt allerdings als sicher. Meist sind erst die Extremitäten oder der Sprech-, Kau- oder Schluckmechanismus betroffen, später greift die Krankheit auf weitere Muskelgruppen über. Manchmal geschieht das innerhalb weniger Wochen, bei anderen Patienten treten weitere Beschwerden erst nach Monaten auf. Noch ist die Amyotrophe Lateralsklerose nicht heilbar – der in Deutschland zugelassene Arzneistoff Riluzol führte in Studien jedoch zu einer Verlängerung der Lebenszeit um bis zu vier Monaten. Im Durchschnitt versterben Betroffene aber innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre nach Ausbruch der Erkrankung – das liegt daran, dass die Amyotrophe Lateralsklerose rasch voranschreitet.1 Die Sorge vor einem qualvollen Tod hält sich bei ALS hartnäckig, ist aber in der Regel unbegründet. Sofern Patienten keine künstliche Beatmung erhalten, versterben sie meist im Schlaf. Bei der CO2-Narkose atmen sie nämlich nicht mehr genügend CO2 aus und fallen dadurch in ein leichtes Koma.

Kann ich mein Familienmitglied mit ALS zu Hause pflegen?

Es ist durchaus möglich, einen an ALS erkranken Menschen zu Hause zu pflegen. Anfangs kann sich der Betroffene noch selbst versorgen, mit zunehmendem Krankheitsfortschritt ist er allerdings auf die Unterstützung von außen angewiesen. Als pflegender Angehöriger können Sie sich dabei entscheidend einbringen, insbesondere bei der Grundpflege. Diese bezieht sich auf Aspekte des täglichen Lebens wie Ernährung, Körperpflege und Mobilität. Ganz konkret können Sie Ihrem Angehörigen bei der Zahnpflege, dem Ankleiden, der Nahrungsaufnahme oder dem Treppensteigen helfen. Das ist mit zunehmendem Krankheitsfortschritt unausweichlich, denn dann kommt es zu Einschränkungen bei der Grob- und Feinmotorik. Auch wenn die Pflege naher Familienangehöriger erfüllend sein kann, ist sie bei ALS eine große Herausforderung. Schließlich ändern sich die Anforderungen stets und der Pflegebedarf nimmt zu. Angehörige sollten sich daher nicht scheuen, Hilfe von außen anzunehmen. Ein ambulanter Pflegedienst kann wesentlich zur Versorgung beitragen und ist in manchen Situationen sogar obligatorisch – Tracheotomierte Patienten benötigen eine Unterstützung durch eine außerklinische Intensivpflege. Diese kann zu Hause in einer Beatmungs-WG oder stationär erfolgen.3

So gelingt die häusliche Pflege bei Amyotropher Lateralsklerose

Viele Betroffene möchten trotz Erkrankung weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben. Durch eine Verzahnung verschiedener Unterstützungsangebote kann das Betroffenen auch im fortgeschrittenen Stadium ermöglicht werden. Im Folgenden geben wir Ihnen Ratschläge für typische Pflegetätigkeiten. Die aktivierende Pflege, bei der Betroffene aktiv bei der Pflege mithelfen, ist in jedem Krankheitsstadium empfehlenswert, nimmt aber naturgemäß im Laufe der Erkrankung ab.

  • An- und auskleiden: Was für gesunde Menschen selbstverständlich ist, fällt Patienten mit ALS durch die nachlassende Muskelwirkung stetig schwerer. Seien Sie darauf gefasst, dass es Ihrem Familienmitglied plötzlich nicht mehr gelingt, sich an- oder auszuziehen – das kann von einer auf die andere Woche passieren. Überprüfen Sie, welchen Unterstützungsbedarf Ihr Angehöriger hat. Achtung: Durch die Funktionsbeeinträchtigung der Muskeln kann Ihr Familienmitglied schmerzende Bewegungen nicht aufhalten – bleiben sie im engen Austausch darüber, was der Betroffene als unangenehm empfindet.[1]
  • Umgang: Menschen mit ALS haben in der Regel keine geistigen Einschränkungen. Behandeln Sie Ihr Familienmitglied „normal“. Es gibt auch keinen Grund, mit lauter Stimme zu sprechen, denn die Hörfähigkeiten sind weiterhin intakt.5
  • Ernährung: Das Thema Essen und Trinken ist bei ALS sehr präsent, denn Patienten haben eine erhöhte Verschluckungsgefahr. Betroffene verlieren manchmal die Lust am Essen, denn durch die schwächeren Muskeln im Mund und Hals geht das Kauen und Schlucken langsamer. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass die Angehörigen genügend Nährstoffe aufnehmen. Unser Tipp: Motivieren Sie Ihr Familienmitglied zum Essen, indem Sie die Speisen richtig auswählen, ansprechend anrichten und eine ruhige Atmosphäre schaffen. Im fortgeschrittenen Stadium kann auch eine sogenannte PEG-Sonde zum Einsatz kommen – dabei findet eine künstliche Ernährung über einen elastischen Kunststoffschlauch statt, der durch die Bauchdecke in den Magen eingeführt wird.[2]
  • Husten: Die Hustenkraft lässt bei Erkrankten nach. Wenn Schleim oder Speichel nicht regelmäßig auf natürliche Weise abtransportiert werden, kann das Hustenanfälle provozieren. Ein Physiotherapeut kann Ihnen Anweisungen geben, wie Sie das Husten bei Ihrem Familienangehörigen unterstützen.5
  • Weinen und Lachen: Ohne erkennbaren Grund fangen ALS-Patienten an zu lachen oder zu weinen. Betroffene können das nicht aufhalten. Machen Sie sich bewusst, dass dieses Verhalten Teil der Erkrankung ist.5
  • Mobilität: Die Sensibilität bleibt bei der Amyotrophen Lateralsklerose erhalten. Langes Sitzen oder Liegen kann daher als schmerzhaft empfunden werden. Helfen Sie Ihrem Familienmitglied daher bei der Mobilisation im Alltag. Das ist auch wichtig, um Druckgeschwüren (Dekubitus) vorzubeugen. Ein Physiotherapeut kann Ratschläge geben, wie mit der richtigen Haltung Krämpfen vorgebeugt werden kann.
  • Kommunikation: Insbesondere bei der Pflege ist Kommunikation wichtig, halten Sie Ihren Angehörigen auf dem Laufenden, was Sie bei der Pflege als Nächstes tun. Für die Kommunikation mit einem ALS-Patienten sollten Sie grundsätzlich mehr Zeit einplanen – geben Sie Ihrem Familienmitglied die Gelegenheit, seine Wünsche auszuformulieren. Ist eine Kommunikation per Sprache nicht mehr möglich, ist der Augencode eine gute Lösung. Da die Augenmuskulatur von der Lähmung in der Regel nicht betroffen ist, kann Ihr Familienmitglied auf einfache Ja/Nein- Fragen mit einem Zwinkern reagieren.5
  • Schmerzen: ALS- Patienten können aus den verschiedensten Gründen Schmerzen haben. Ein zu langes Verharren in derselben Körperhaltung ist eine Möglichkeit. Manchmal führt eine Muskelschwächung aber auch dazu, dass andere Muskeln mehr leisten müssen, auch das kann schmerzhaft sein. Gemeinsam mit dem Physiotherapeuten und Ergotherapeuten können Sie herausfinden, wie Sie Überlastungen vermeiden.5
  • Toilettengänge: Da Patienten mit ALS eine erhöhte Sturzneigung haben, ist es bei Gangunsicherheiten unbedingt empfehlenswert, den Besuch der Toilette zu begleiten. Im fortgeschrittenen Stadium können beispielsweise Bettpfannen zum Einsatz kommen. Übrigens: Die Schließmuskeln sind bei der überwiegenden Anzahl der Erkrankten nicht betroffen – somit ist Inkontinenz in der Regel kein Thema.

Welchen Pflegegrad bekommt man bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS)?

Ein Pflegegrad bildet die vorhandene Pflegebedürftigkeit ab. Das ist wichtig, um Leistungen der Pflegekasse zu beantragen bzw. in Anspruch zu nehmen. Einen speziellen Pflegegrad für die Amyotrophe Lateralsklerose gibt es nicht – wie auch andere Pflegebedürftige können Patienten einen Pflegegrad von 1-5 erhalten. Hierbei gilt: Je ausgeprägter die Einschränkung der Selbstständigkeit ist, desto höher fällt der Pflegegrad aus. Für die Zuteilung eines Pflegegrades gibt es aber gewisse Voraussetzungen. Zunächst muss die Pflegebedürftigkeit auf längere Sicht, mindestens sechs Monate lang, bestehen. Außerdem muss eine im § 15 SGB XI festgelegte Schwere vorliegen.[1] Beide Voraussetzungen erfüllen ALS-Patienten früher oder später in jedem Fall.

Folgende Tabelle zeigt auf, welcher Pflegegrad, mit welcher Beeinträchtigung in Verbindung steht.

Pflegegrad
Beeinträchtigung bei ALS
1 Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit.
2 Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit.
3 Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit.
4 Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit.
5 Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit mit besonderen Anforderungen für die pflegerische Versorgung.

So beantragen Sie einen Pflegegrad

Einen Pflegegrad können Betroffene in wenigen Schritten beantragen. Ist der Erkrankte dazu nicht in der Lage, können das auch bevollmächtigte Familienangehörige tun. Die Pflegekasse ist dazu angehalten, Antragstellern innerhalb von 25 Arbeitstagen mitzuteilen, ob und welcher Pflegegrad vorliegt.[1]

Pflegegrad beantragen in 3 Schritten:

  1. Stellen Sie einen Antrag auf Pflegegrad: Die Pflegekasse kann Ihnen das entsprechende Formular (Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung) aushändigen. Oftmals finden Sie das Dokument auch auf der Webseite des Versicherers zum Download.
  2. Begleiten Sie die Pflegebegutachtung: Um die verbliebene Selbstständigkeit des Antragstellers festzustellen, kommt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes zu Betroffenen nach Hause. Er beurteilt die Pflegebedürftigkeit in insgesamt sechs Modulen, unter anderem Mobilität und Selbstversorgung. Als pflegender Angehöriger können Sie hier wichtige Informationen zur Versorgungssituation geben.
  3. Auf Post der Pflegekasse warten: Nach der Pflegebegutachtung übermittelt der Gutachter eine Empfehlung an die Pflegekasse. Diese meldet sich dann innerhalb von 25 Arbeitstagen bei Ihnen. Sind sie mit der Einstufung nicht einverstanden, können Sie innerhalb eines Monats (nach Eingang des Schreibens) Widerspruch einlegen.

Was steht Menschen mit ALS zu?

Die Pflegesituation bei Amyotropher Lateralsklerose ist sehr komplex und kann sich innerhalb kürzester Zeit verändern. Daher ist es wichtig, dass Betroffene und Angehörige schnelle Hilfe erhalten. Eine Grundlage dafür ist ein vorliegender Pflegegrad. Durch ihn können Erkrankte zahlreiche Pflegekassen-Leistungen beanspruchen.

Dazu zählen:

Gut zu wissen!

Da bei der ALS-Erkrankung zunehmend die Muskelkraft nachlässt, können wohnumfeldverbessernde Maßnahmen zur Gestaltung eines barrierefreien Badezimmers oder ein Treppenlift die Pflege maßgeblich erleichtern. Bei einem vorliegenden Pflegegrad steuert die Pflegekasse bis zu 4000 Euro bei.

Pflege organisieren bei ALS: die besten Tipps

Sie haben sich dazu entschlossen, Ihren an ALS erkrankten Angehörigen zu Hause zu versorgen? Mit einer guten Organisation finden Sie schnell in den Pflegealltag, können die Bedürfnisse Ihres Familienmitglieds erfüllen und vergessen sich dabei selbst nicht.

Folgende Tipps helfen Ihnen bei der Strukturierung des Pflegealltags:

  1. Verschaffen Sie sich einen Überblick: Die Diagnose ALS ist sicherlich für den Betroffenen und auch für Sie ein Schock. Um die Situation bestmöglich beleuchten zu können, informieren Sie sich am besten über die Erkrankung und halten einen engen Austausch mit allen Beteiligten aufrecht. Dazu gehört natürlich in erster Linie der Betroffene selbst. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, welche Einschränkungen bereits bestehen. Wertvolle Informationen zu der derzeitigen und zukünftigen Pflege bzw. dem Umgang können auch behandelnde Ärzte, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten liefern.
  2. Lassen Sie sich beraten: Nachdem Sie nun wissen, bei welchen Tätigkeiten Ihr Angehöriger Hilfe benötigt, können Sie sich gezielt nach Unterstützungsleistungen erkundigen. Mögliche Ansprechpartner sind die Krankenkasse, die Pflegekasse oder Pflegestützpunkte vor Ort.Zusätzliche Informationen erhalten Sie bei Selbsthilfegruppen, Vereinen und Organisationen. So können Sie sich beispielsweise an die ALS-Liga oder an folgende Vereine des Verbundes ALS Deutschland wenden:
    ALS Mobil
    Chance zum Leben
    Diagnose ALS
    NiemALS aufgeben e.V.
    ALS-Hilfe-Bayern
  3. Führen Sie ein Pflegetagebuch: Mit einem Pflegetagebuch können Sie nicht nur wichtige Pflegemaßnahmen übersichtlich zusammenfassen, sondern auch Änderungen festhalten. Da die Erkrankung ALS rasch voranschreitet, ist es sinnvoll, den Pflegegrad im Blick zu behalten. Erhöht sich der Pflegebedarf, können Sie bei der Pflegekasse eine Höherstufung beantragen. Das Pflegetagebuch kann Gutachtern dann wertvolle Einblicke in den Pflegealltag liefern.

Welche Hilfsmittel sind bei ALS sinnvoll?

Hilfsmittel können den Pflegealltag bereichern, indem sie Betroffenen mehr Selbstständigkeit verleihen und Pflegetätigkeiten vereinfachen.

Folgende Hilfsmittel können ALS-Patienten unterstützen:

  • Kommunikationshilfen: Wenn die Sprache zunehmend schwerer fällt, gibt es eine Reihe von Hilfsmitteln, die die Kommunikation vereinfachen. Angefangen von Schreibhilfen über Tafeln mit Buchstaben bis hin zu elektronischen Kommunikationshilfen. Verschiedene Kommunikationshilfen sind im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes aufgeführt. Bei hinreichender Begründung übernimmt die Krankenkasse die Kosten dafür.
  • Hilfsmittel für Alltag & Mobilität: Eine große Auswahl an Hilfsmitteln erleichtert Betroffenen den Alltag. Es gibt beispielsweise Greifhilfen für Gläser, Katapultsitze, die das Aufstehen erleichtern, Toilettensitzerhöhungen oder Mobilitätshilfen wie Rollstühle. Auch diese können bei einer medizinischen Notwendigkeit von der Krankenkasse übernommen werden.

Gut zu wissen!

Besitzt Ihr Angehöriger einen Pflegegrad, steht ihm ein Budget für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch in Höhe von 40 Euro pro Monat zu. Davon können Betroffene beispielsweise Schutzkittel, Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel kaufen. Besonders einfach gelingt das mit der Sanubi Pflegebox.

Kann man als ALS-Patient einen Schwerbehindertenausweis bekommen?

Mit einem Schwerbehindertenausweis erhalten Betroffene Nachteilsausgleiche. Diese machen sich beim Kündigungsschutz, in Form von Steuererleichterungen oder sonstigen Vergünstigungen bemerkbar. Menschen mit einer Amyotropher Lateralsklerose sollten also unbedingt die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises in Erwägung ziehen. Der richtige Ansprechpartner ist das entsprechende Versorgungsamt. Achtung: Da die Erkrankung vergleichsweise schnell voranschreitet, verstärkt sich die Behinderung meist schon während des laufenden Verfahrens auf Feststellung des GdB (Grad der Behinderung). Unser Tipp: Stellen Sie dann unverzüglich einen Erhöhungsantrag, das geht auch während eines laufenden Verfahrens.[1]

Expertentipp von Marina Engler:

 

Persönliche Assistenz

Auch mithilfe eines Pflegedienstes ist es für Angehörige meist irgendwann nicht mehr möglich, eine Person mit ALS vollumfänglich zu versorgen. Zu viele Kleinigkeiten müssen von außen erledigt werden, da Erkrankte dazu nicht mehr in der Lage sind, etwa das regelmäßige Umbetten in der Nacht, damit keine Druckstellen entstehen. Eine individuelle Unterstützung ist durch eine sogenannte Persönliche Assistenz möglich. Darauf haben Menschen mit einer anerkannten Behinderung durch das Bundesteilhabegesetz 2020 ein Anrecht.

Persönliche Assistenten – eine oder mehrere – helfen einem Menschen mit einer Behinderung in dessen Alltag. Die Betroffenen entscheiden selbst, wann sie welche Hilfe brauchen. So ist eine individuelle Unterstützung bis hin zu einer 24-Stunden-Betreuung möglich. Welche Qualifikationen die Assistenten dafür haben müssen, hängt vom Einzelfall ab. Neben bestimmten Grundfertigkeiten ist es besonders wichtig, dass Betroffene und Assistenten sich gut verstehen und vertrauen.

Es gibt Assistenten, die bei Pflege- oder Assistenzdiensten angestellt sind und für bestimmte Aufgaben gebucht werden können. Diese werden direkt als Sachleistung finanziert, wie die Arbeit eines normalen Pflegedienstes. Betroffene können aber auch selbst eine oder mehrere Persönliche Assistenten einstellen. Das ist für ALS-Erkrankte meist die bessere Lösung, da sich ihr Hilfebedarf ständig verändert und die Assistenten diese Entwicklung mitbekommen und begleiten können. Auch bei Krankenhausaufenthalten dürfen Persönliche Assistenten nach Absprache dabei sein, um das Wohl der Erkrankten zu gewährleisten. Gemeinsame Urlaube sind ebenfalls möglich.

Die Anstellung einer Assistenz lässt sich mit dem Persönlichen Budget finanzieren, einer Geldleistung. Dabei gibt es auf Wunsch professionelle Unterstützung. Assistenzdienste helfen zum Beispiel dabei, eine passende Assistenz zu finden, sie übernehmen deren Bezahlung und die Abrechnungen mit den Leistungsträgern. Welche Leistungsträger, etwa Pflege-, Kranken-, Renten- oder Unfallversicherung, Versorgungsamt oder ein anderes Amt, die Finanzierung übernimmt, hängt vom Einzelfall ab.

Mit einer fortgeschrittenen ALS können Betroffene sich in der Regel eine Behinderung anerkennen lassen und somit auch die Persönliche Assistenz nutzen und finanzieren lassen. Welche Schritte dafür notwendig sind, erklärt in verständlichen Worten zum Beispiel die Webseite Familienratgeber. Dort finden Sie auch detaillierte Informationen zum Persönlichen Budget sowie Links zu allen wichtigen Anlaufstellen, etwa Beratungsstellen, Hilfevereinen oder Assistenz-Vermittlungsbörsen. Wie eine Urlaubsreise trotz fortgeschrittener ALS mithilfe von Persönlicher Assistenz möglich werden kann, beschreibt Christian Bär in seinem üblich bissig-humorigen Stil in diesem Blogbeitrag.

Die Pflege bei ALS kostet viel Kraft: Tipps speziell für Angehörige

Therapietermine, Sorgen um den Krankheitsfortschritt und ein straffer Pflegealltag – pflegende Angehörige opfern sich bei der ALS- Pflege regelrecht auf. Dabei ist es wichtig, dass ehrenamtliche Pflegepersonen auch auf sich selbst Acht geben. Nur mit genügend Kraftreserven können Sie den eigenen Bedürfnissen und die des Betroffenen nachkommen.

Folgendes können Sie als pflegender Angehöriger beherzigen:

  • Verschaffen Sie sich täglich feste Ruhephasen: Genügend Zeit für das Frühstück, ein Kaffee am Nachmittag oder eine Meditationszeit am Abend sind nur wenige Beispiele.
  • Bewahren Sie sich Ihr soziales Umfeld: Die Pflege kann sehr zeitintensiv sein, trotzdem sollten Sie soziale Kontakte beibehalten – diese sind wichtig für das psychische Wohlbefinden. Auch hier bieten sich feste Termine an.
  • Erkennen Sie Ihre Grenzen an: Es ist völlig normal, sich ab einem bestimmten Punkt überfordert zu fühlen. Ziehen Sie rechtzeitig die Reißleine und nehmen Sie Unterstützung von außen wie die Hilfe eines Pflegedienstes in Anspruch.
  • Behalten Sie Ihre Psyche im Blick: Wenn durch den Gesundheitszustand Ihres Angehörigen oder durch die Pflege selbst ein hoher Leidensdruck besteht, kann Ihnen womöglich ein psychologisches Angebot helfen.
  • Bleiben Sie im Austausch: Wie auch Sie, kümmern sich auch andere um ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Sich mit anderen ehrenamtlichen Pflegepersonen auszutauschen und sich einiges von der Seele zu reden, tut meist gut.
  • Nehmen Sie Angebote der Krankenkasse in Anspruch: Viele Krankenkassen bieten mittlerweile Coachingangebote an, um Stress, auch speziell in Pflegesituationen, zu vermeiden.

FAQ - Häufige Fragen zum Thema Pflege bei ALS