Probleme mit der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, dem Bewusstsein und der Orientierung – all das kann auf ein Delir hindeuten. Betroffene haben dabei eine akute Verwirrung, und die kann sogar gefährlich werden. Pflegende Angehörige sind meist verunsichert, wenn das Familienmitglied plötzlich ein untypisches Verhalten im Alltag zeigt. Wir erklären, wann sie einen Arzt verständen müssen. Außerdem geben wir einen Überblick über die Ursachen für den vorübergehenden Zustand und erklären, wie Mediziner ein Delir behandeln.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Delir trifft nicht ausschließlich, aber häufig ältere Menschen.
  • Bei einem Delirium handelt es sich nicht um eine eigenständige Krankheit, sondern um ein Syndrom, das mit Störungen der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins einhergeht.
  • Pflegende Angehörige sollten bei Hinweisen auf ein Delir schnellstmöglich ärztliche Hilfe organisieren.
  • Die Therapie umfasst die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache und Maßnahmen zur Beruhigung.
  • Bei einer rechtzeitigen Einleitung der Therapie können die Symptome vollständig zurückgehen.

Was ist ein Delir oder ein Delirium?

Der Begriff Delir leitet sich von der lateinischen Wortkombination „de lira ir“ ab, was soviel bedeutet wie aus der Spur geraten. Das trifft es recht gut, denn Patienten befinden sich dabei in einem Zustand akuter Verwirrtheit. Das Delir, auch Delirium genannt, gehört zu den organisch-psychischen Störungen. Dabei handelt es sich um keine eigenständige Krankheit, sondern um ein Syndrom. Menschen mit einem Delirium leiden plötzlich, geradezu schlagartig, unter Symptomen, die das Gehirn und den Körper betreffen – sie haben beispielsweise Probleme mit dem Gedächtnis, aber können auch eine krankhafte Unruhe oder einen schnellen Puls aufweisen.

Delir: Symptome im Überblick

Durchlebt Ihr Angehöriger ein Delirium, erscheint Ihnen sein Verhalten sehr untypisch. Ihr Familienmitglied wirkt aufgedreht, unkooperativ und kann Ihnen gegenüber sogar aggressiv sein. Der Verwirrtheitszustand entwickelt sich innerhalb weniger Stunden bis Tage. Auffällig ist, dass die Symptome im Tagesverlauf schwanken – meist nehmen sie in den Nachmittags- und Abendstunden zu, Mediziner nennen das „Sundowning“. Außerdem typisch: Bei vielen Patienten ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört. Ihr Angehöriger kann nachts sehr aufgeweckt erscheinen, tagsüber ist er allerdings schläfrig und wirkt beinahe wie unter Schlafmitteln. Womöglich leidet Ihr Familienmitglied auch unter Albträumen, die in der Wachphase in Halluzinationen übergehen.

Folgende Symptome deuten auf ein Delirium hin:

  • Das Bewusstsein, das Denken, das Gedächtnis, die Orientierung, die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit sind gestört.
  • Ihr Angehöriger ist ungewöhnlich gereizt oder ängstlich.
  • Eine krankhafte Unruhe, ein Beschäftigungsdrang, aber auch eine verminderte Aktivität sind möglich.
  • Ihr Angehöriger durchlebt Halluzinationen oder füllt Gedächtnislücken mit Fantasieerzählungen.
  • Es bestehen körperliche Anzeichen wie Zittern, Bluthochdruck, Herzrasen, Fieber oder starkes Schwitzen.

Was meinen Mediziner mit Verwirrtheit?

In Zusammenhang mit einem Delirium begegnet Ihnen oft der Begriff „akute Verwirrtheit“ – doch worum handelt es sich dabei eigentlich? Ist Ihr Angehöriger verwirrt, ist er nicht dazu imstande, einem Gespräch zu folgen, festzustellen, wo er sich gerade befindet oder Fragen korrekt zu beantworten. Außerdem hat Ihr Familienmitglied keinen Zugriff auf wichtige Erinnerungen und kann keine Entscheidungen zur eigenen Sicherheit treffen. Eine Verwirrtheit kann das Ergebnis verschiedener Erkrankungen, wie einer Demenz, sein oder mit der Medikamenteneinnahme zusammenhängen. Außerdem deutet eine akute Verwirrtheit auf ein Delirium hin.

Was sind Ursachen für ein Delir?

Ein Delir hat meistens eine feststellbare Ursache, anders als vielleicht vermutet, muss es allerdings nicht zwangsläufig etwas Schwerwiegendes oder Komplexes sein. In 10 bis 20 % der Fälle finden Mediziner keine Erklärung für den geistigen Ausnahmezustand.

Zu den drei häufigsten Ursachen eines Deliriums gehören:

  1. Die Einnahme von Arzneimitteln, insbesondere von Anticholinergika (bei Harninkontinenz oder Asthma), psychoaktiver Medikamente und Opioide zur Schmerzlinderung.
  2. Eine bestehende Dehydrierung (Austrocknung), durch zu wenig trinken oder einen erhöhten Flüssigkeitsverlust, beispielsweise bei Durchfall.
  3. Das Vorhandensein einer Infektion, unter anderem COVID, Lungenentzündung, Harnwegsinfekt, Hirnhautentzündung, Blutvergiftung.

Außerdem können Sauerstoffmangel, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Probleme mit der Schilddrüse und der Konsum oder Entzug von Drogen wie Alkohol ein Delir hervorrufen.

Postoperatives Delir: Expertentipp von Dipl.-Ges.oec. (FH) Jennifer Ann Steinort

Ein Delir kann sich rund um einen operativen Eingriff entwickeln. Insbesondere dann, wenn die Narkose lange angedauert hat und Mediziner Ihrem Familienangehörigen während der Operation Anticholinergika oder nach der Operation zur Schmerzlinderung Opioide verabreicht haben. Personen entwickeln vor allem während der Aufwachphase ein Delirium – in dem Fall leiden sie unter dem sogenannten Durchgangssyndrom. Für Sie als Angehörigen heißt es zunächst Ruhe bewahren, denn meist hält der Zustand nur einige Tage an, dann verschwinden die neurologischen Einschränkungen oft wieder. Die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Heilung ist dann besonders groß, wenn Ihr Angehöriger vor dem Eingriff dahingehend beschwerdefrei war. Bleiben Einschränkungen zurück, könnte ein Pflegegrad bei Delir empfehlenswert sein, um Leistungen der Pflegekasse zu erhalten.

Ist ein Delirium ein typisches „Alte-Menschen-Phänomen“?

Richtig ist, dass ältere Menschen ein höheres Risiko haben, ein Delir zu entwickeln. Mindestens 10 % von ihnen, die in eine Klinik eingeliefert werden, besitzen ein Delirium. Bis zu 50 % der älteren Menschen befinden sich zu irgendeinem Zeitpunkt während des stationären Aufenthalts in dem Zustand. Doch ein Delir ist kein Phänomen, das ausschließlich Menschen im höheren Lebensalter trifft, bei jungen Personen ist ein Delirium aber meist auf den Konsum von Freizeitdrogen oder Medikamenten und eine lebensbedrohliche Erkrankung, zum Beispiel eine Meningitis, zurückzuführen. Dass vergleichsweise viele ältere Menschen ein Delir erleiden, hängt damit zusammen, dass sie einige Risikofaktoren mitbringen. Durch Alterungsprozesse reagieren sie empfindlicher auf Medikamente und Drogen, zeigen Veränderungen im Gehirn und bringen gesonderte Umstände mit – so sind sie beispielsweise auf bestimmte Medikamente angewiesen und leiden häufiger unter einer Dehydration, Harnwegsinfekten und Unterernährung.

Gut zu wissen!

Ältere Menschen weisen in der Regel einen niedrigeren Acetylcholingehalt auf. Die Substanz unterstützt die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen. Jede Art von Stress, auch ausgelöst durch Medikamente, lässt den Acetylcholinspiegel weiter absinken, die Ausführung der Gehirnfunktionen ist erschwert, das Risiko für ein Delir erhöht.

Wie diagnostizieren Mediziner ein Delir?

Mediziner greifen auf verschiedene Maßnahmen zurück, um ein Delir zu diagnostizieren. Dazu zählen:

  1. Die Erhebung des Symptombildes
  2. Die Anamnese, sprich die Erhebung der Krankengeschichte
  3. Die Standarddiagnostik inklusive körperlicher Untersuchung

Die Erhebung des Symptombildes bei Delir

Kommt eine Person mit den Symptomen ins Krankenhaus, in die Arztpraxis oder entwickelt während des Klinikaufenthaltes mutmaßlich ein Delir, erheben Mediziner den sogenannten psychopathologischen Befund, um herauszufinden, welche kognitiven Beeinträchtigungen bestehen. Dazu gibt es einfache Tests, zum Beispiel das Aufzählen von Wochentagen oder Ziffern. Eingehende Tests zur Einschätzung der kognitiven Lage sind bei Menschen, die keine Informationen aufnehmen und verarbeiten können, zwecklos. Damit Ärzte ein Delir diagnostizieren können, müssen bestimmte Merkmale erfüllt sein. Nach dem sogenannten Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders sind das folgende Kriterien:

  • Ihr Angehöriger zeigt eine Störung der Aufmerksamkeit, er hat unter anderem Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen, und eine Beeinträchtigung des Bewusstseins, darauf deutet eine mangelnde Orientierung hin.
  • Die Veränderungen entwickelten sich innerhalb von Stunden bis Tagen und schwanken im Tagesverlauf.
  • Bei Ihrem Familienmitglied sind die kognitiven Prozesse akut verändert – darunter leiden das Gedächtnis, die Wahrnehmung, das Denken und die Sprache.

Die Anamnese bei Delir

Wenn Ihr Angehöriger Hinweise auf ein Delir zeigt, ist er nicht dazu imstande, Auskunft über seine Krankengeschichte zu erteilen. Sie als pflegender Angehöriger können nun wertvolle Informationen liefern:

  • Wurden bei Ihrem Angehörigen psychische Störungen, eine Demenz oder andere Erkrankungen diagnostiziert?
  • Wann sind die Symptome aufgetreten und verändern sie sich im Laufe des Tages?
  • Ist Ihnen bekannt, dass Ihr Familienmitglied Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel, Alkohol oder Drogen einnimmt?
  • Besteht bereits ein Pflegegrad und wenn ja, warum?

Die Standarddiagnostik inklusive körperlicher Untersuchung bei Delir

Mediziner überprüfen nun mit einer körperlichen Untersuchung und Tests, ob Ihr Angehöriger Risikofaktoren mitbringt und ob gegebenenfalls Erkrankungen vorliegen, die das Delir erklären. Bei der körperlichen Untersuchung beurteilen Mediziner die Vitalzeichen, den Zustand der Hydration und Ernährung, die Haut, den Kopf sowie den Nacken und den neurologischen Zustand. Ärzte können zudem Blut- und Röntgenuntersuchungen bei einem Verdacht auf eine Infektion anordnen. Auch ein Drogenscreening, eine Computertomografie, eine Magnetresonanztomographie oder eine Messung der Elektrolyte und die Bestimmung der Leberwerte können sinnvoll sein. All diese Untersuchungen können Hinweise auf mögliche Erklärungen wie Infektionen, Leberversagen oder Kopfverletzungen geben – es gibt aber noch eine Vielzahl weiterer Diagnostikansätze, die Sie unter anderem in den Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie nachlesen können.

Gut zu wissen!

Die Diagnostik eines Delirs ist sehr komplex und gleicht einer Spurensuche. Mediziner leiten von vorhandenen Risikofaktoren und vorliegenden Symptomen mögliche Erklärungsansätze ab und führen Untersuchungen durch.

Delir oder Demenz? Eine berechtigte Frage!

Möglicherweise denken Sie direkt an eine Demenz, wenn Ihr Familienmitglied eine akute Verwirrtheit zeigt. Tatsächlich ist das naheliegend, denn bei der Erkrankung kommt es ebenfalls zu einer Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten. Dennoch gibt es einiges, was eine Demenz von einem Delir unterscheidet.

  • Die Demenz zieht das Gedächtnis Ihres Angehörigen in Mitleidenschaft, ein Delir beeinträchtigt in erster Linie die Aufmerksamkeit.
  • Eine Demenz entwickelt sich schleichend, einen genauen Zeitpunkt können Sie nicht festmachen, ein Delir beginnt beinahe schlagartig.

Übrigens: Menschen mit einer Demenz können auch ein Delir entwickeln.

Folgende Tabelle zeigt Ihnen die Unterschiede in aller Kürze.

Demenz
Delir
Beginn und Verlauf Schleichend Plötzlich und ohne Vorwarnung
Dauer In der Regel unheilbar, also zeitlich unbegrenzt Oft Stunden bis Tage, es können jedoch Folgen zurückbleiben
Verlauf Die Symptome nehmen nicht abrupt zu oder ab Die Symptome schwanken über den Tagesverlauf
Prognose Fortschreitend Kann sich vollständig zurückbilden
Halluzinationen Selten Häufig
Somatische Symptome In der Regel nicht Schwitzen, Bluthochdruck, schnellere Atmung und Puls
Bewusstseinszustand Erst im späteren Verlauf gestört Patienten können wach und dann wieder apathisch sein

Tabelle 1: Unterschiede zwischen Demenz und Delir. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: KD_Delir-Demenz.indd (demenz-sh.de)

Delir-Behandlung: So therapieren Ärzte verwirrte Patienten

Eine Person mit einem Delir braucht vor allem eines: eine angepasste Umgebung. Das Patientenzimmer sollte ruhig und gut beleuchtet sein, damit Betroffene nicht aufgeregt werden und sich in Ruhe orientieren können – dabei helfen beispielsweise eine Uhr oder ein Kalender in unmittelbarer Nähe. Da delirante Personen aufgrund des verwirrten Zustands, leichter stürzen, ist eine Sturzprophylaxe wichtig. Gelingt es durch eine angepasste Umgebung und weitere Maßnahmen, wie das Einwirken einer Aufsichtsperson, nicht, eventuell bestehende Erregungszustände zu lindern, können Medikamente zum Einsatz kommen, die sogenannten Antipsychotika oder Benzodiazepine. Neben diesen Maßnahmen ist natürlich die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache, sofern bekannt, entscheidend. Ist bei Ihrem Angehörigen beispielsweise eine Infektion oder eine Dehydration für das Delirium verantwortlich, ist die Gabe eines Antibiotikums oder Flüssigkeit über die Vene erforderlich. Bei der Therapie kann es auch nötig sein, ausgewählte Medikamente abzusetzen – das sollte aber nur in Absprache mit dem behandelnden Mediziner geschehen. Kommt es durch einen Alkoholentzug zu einem Delirium, können Mediziner Benzodiazepine und Maßnahmen anordnen, die Ihrem Familienmitglied dabei helfen, langfristig mit dem Alkoholkonsum aufzuhören.

Was macht ein Delirium so gefährlich und wann ist ein Rettungswagen nötig?

Ein Delirium ist ein ernstzunehmendes medizinisches Problem. Es kann die kognitiven Fähigkeiten bei Ihrem Angehörigen dauerhaft einschränken und Komplikationen wie ein Blutgerinnsel oder eine Lungenentzündung nach sich ziehen – das wiederum erhöht das Risiko, innerhalb eines Jahres zu versterben. Gelingt es Medizinern, die Ursache für den Zustand schnell zu erkennen und zu behandeln, stehen die Chancen gut, dass sich Ihr Familienmitglied vollständig erholt. Gibt es jedoch Verzögerungen, kann die komplette Genesung ausbleiben – manchmal entwickelt sich aus einem Delirium eine andauernde Hirnfunktionsstörung, die sich ähnlich wie eine Demenz äußert und eine dauerhafte Pflege bei Delir erfordert. Ist Ihr Angehöriger also akut verwirrt, sollten Sie unbedingt medizinische Hilfe organisieren, zum Beispiel, indem Sie den Rettungswagen rufen. Mit verschiedenen Maßnahmen können auch Sie zu einer Delir-Prävention beitragen – wichtig ist dabei vor allem acht auf eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr zu geben.

FAQ: Häufige Fragen zum Delir