Das Wichtigste in Kürze
- Morbus Fahr ist eine seltene Gehirnerkrankung mit Verkalkungen in den Basalganglien.
- Symptome können motorische Störungen (ähnlich Parkinson), Demenz oder epileptische Anfälle sein, die Krankheit kann aber auch symptomlos verlaufen.
- Es gibt bisher wenig Wissen über die Krankheit, daher keine ursächliche Behandlung.
- Verkalkungen sind kalziumbedingt und nicht mit Arteriosklerose vergleichbar, da sich Kalk in den Basalganglien und nicht in den Arterien ansammelt.
- Häufig bleibt die Krankheit unentdeckt und wird zufällig diagnostiziert.
- Die Krankheit ist seit fast 100 Jahren bekannt, jedoch kaum erforscht.
- Erst kürzlich wurde das Fahr-NET an der Universitätsklinik Mannheim gegründet, um die Krankheit besser zu erforschen und Therapien zu entwickeln.
Was ist Morbus Fahr?
Morbus Fahr ist eine sehr selten vorkommende Erkrankung des Gehirns, die mit Bewegungsveränderungen, fortschreitender Demenz und epileptischen Anfällen einhergehen kann. Medizinisch wird auch von der Fahr-Krankheit, dem Fahr-Syndrom oder der striatodentalen Kalzifikation gesprochen. Weitere Begriffe für Morbus Fahr sind striatodentale oder striatonigrale Verkalkung oder bilaterale striopallidodentate Kalzinose.
Beim Morbus Fahr verkalken die Basalganglien zunehmend, das kann sich mit neurologischen oder psychiatrischen Krankheitssymptomen zeigen, muss aber nicht. Es gibt auch Morbus Fahr-Erkrankungen die symptomlos verlaufen. Benannt wird das Krankheitsphänomen nach dem deutschen Pathologen und Nierenfachmann Karl Theodor Fahr (1877 – 1945).
Veränderungen in den Basalganglien
Basalganglien ist ein Sammelbegriff für Regionen, die in der Tiefe des Großhirns liegen. Sie sind auf jeder Hirnhälfte in gleicher Form angelegt und strukturiert. Die Basalganglien spielen eine wichtige Rolle für motorische Regelungen, so sind sie beispielsweise zuständig für alle Bewegungen, die aktiv vom Willen gesteuert werden. Sie regeln Vorgänge wie Schlucken oder Kauen und hier sitzt auch das motorische Gedächtnis für Bewegungsabläufe, die im Laufe eines Lebens erlernt wurden. Die Prozesse in den Basalganglien sind Gegenstand vieler Forschungsarbeiten, weil Funktionsstörungen in den Basalkernen u.a. zu den bekannten Parkinson-Symptomen führen.
Gut zu wissen!
Morbus Fahr oder das Fahr-Syndrom ist eine sehr seltene Krankheit, deren Prozesse man bis heute nicht ganz verstanden hat. Viele Betroffene bleiben symptomlos. Die Erkrankung tritt meist in der zweiten Lebenshälfte auf.
Patienten mit dem Fahr-Syndrom werden in drei Gruppen unterteilt:
- idiopathischer Morbus Fahr – hier sind meist jüngere Patienten von einer ausgeprägten Verkalkung betroffen
- Patienten mit Hypoparathyreoidismus – eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen führt im Laufe der Zeit zum Fahr-Syndrom
- ältere Patienten mit oft symptomlosen oder geringen Verkalkungen der Basalganglien – das scheint die größte Gruppe zu sein
Symptome von Morbus Fahr
Die Verkalkung der Basalganglien läuft bei etwa 40 Prozent der Betroffenen ganz ohne Symptome ab. Zunehmende Sprachstörungen, Kopfschmerzen, eine sich allmählich entwickelnde Demenz könnten Anzeichen eines Morbus Fahr sein. Auch depressive Schübe, epileptische Anfälle oder psychotische Phasen können mit der Krankheit in Verbindung stehen.
Gut zu wissen
Ein großer Teil der Betroffenen zeigt Symptome, wie man sie auch bei der Parkinson-Erkrankung beobachtet. Leider sind Parkinson-Medikamente nicht bei Morbus Fahr anwendbar, denn die Zitterkrankheit, wie sie im Volksmund auch genannt wird, beruht auf einem Dopaminmangel im Gehirn, den man künstlich versucht zu subsituieren. Bei Morbus Fahr ist ein Verkalkungsprozess die Krankheitsursache.
Ein großer Teil der Betroffenen zeigt typische Bewegungsstörungen wie man sie auch von Parkinsonerkrankten kennt. Morbus Fahr kommt sehr selten vor (1:1.000.000), 1930 beschrieb der Mediziner Karl Theodor Fahr die Erkrankung zum ersten Mal. Morbus Fahr tritt in der Regel in der Lebensmitte auf. Als die häufigsten Symptome werden beschrieben:
- Kopfschmerzen
- gestörte Feinmotorik
- Zittern, Tremor
- Sprachstörungen
- Gedächtnisstörungen
Die Bewegungsstörungen werden auf der Basis von verschiedenen Untersuchungen wie folgt klassifiziert:
- 57 Prozent Parkinson-Syndrom
- 19 Prozent Chorea
- 8 Prozent Tremor
- 8 Prozent Dystonie
- 8 Prozent Atheose
- 5 bis 3 Prozent orofaziale Dyskinesie (Störungen von Bewegungsabläufen im Mund-, Gesichtsbereich).
Ursachen von Morbus Fahr
Bei Morbus Fahr verlaufen die Veränderungen in den Basalganglien symmetrisch, sie vollziehen sich in beiden Gehirnhälften gleichmäßig. Winzige Kalkteilchen lagern sich mit der Zeit in den kleinen Blutgefäßen der Ganglien ab, der Prozess geht sehr langsam voran. Was genau die Ursachen und Zusammenhänge sind, hat man bisher noch nicht klären können. Auffallend ist, dass die Ablagerungen ausschließlich in den Ganglien stattfinden und sich nicht auf andere Gefäße ausweiten. Typisch für Morbus Fahr ist auch immer das symmetrische Auftreten, gleichmäßig auf beide Seiten des Gehirns verteilt. Man unterscheidet zwischen einer spontan auftretenden Erkrankung und einer möglicherweise genetischen Veranlagung zu Morbus Fahr.
Gut zu wissen
Verkalkungen in den Basalganglien gehören zum normalen Alterungsprozess und verlaufen in sehr vielen Fällen symptomlos. Wenn die Verkalkungen aber ausgeprägt sind, führen sie neurologischen und psychiatrischen Ausfallerscheinungen. Ein CT-Bild gibt Aufschluss, ob ein Morbus Fahr vorliegen könnte.
Kalziumablagerungen in Bereichen des Gehirns sind gerade im Alter gar nicht so selten. Meistens verlaufen sie sogar symptomlos. Zunächst lagert sich das Kalzium in den Gefäßwänden ab, dann auch im Gewebe darum herum. Durch die Ablagerungen verringert sich die Durchblutung der Gefäße, das Gewebe leidet, erste Nervenschädigungen machen sich bemerkbar.
In der Literatur werden als mögliche Auslöser Störungen in denen Nebenschilddrüsen diskutiert, denn sie sind verantwortlich für die Regulation des Kalziumhaushalts. Bekannt ist, dass eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen im Laufe der Zeit das Fahr-Syndrom entstehen lässt. Ob noch weitere Funktionsunregelmäßigkeiten für Morbus Fahr ursächlich sind, müsste Gegenstand der Forschung sein. In Untersuchungen hat man bisher feststellen können, dass bestimmte Genabschnitte bei den von Morbus Fahr-Betroffenen mutiert sind.
Die Diagnose des Fahr-Symptoms
Wenn bei den Betroffenen Symptome wie Bewegungsstörungen oder Kopfschmerzen auftreten, dann ist die Computertomographie das aussagekräftigste Diagnosetool. Mit der CT-Bildgebung lässt sich deutlich darstellen, wie fortgeschritten die Verkalkungsprozesse in den Basalganglien sind. Die betroffenen Areale erscheinen im CT-Bild als weiße Flächen. Das wichtigste diagnostische Kriterium ist immer die symmetrische Ausprägung. Nur bei Morbus Fahr sind die Veränderungen auf beiden Gehirnseiten gleichmäßig sichtbar. Liefert die symmetrische Ganglienverkalkung den sicheren Hinweis auf Morbus Fahr, dann können weitere Untersuchungsverfahren zusätzliche Informationen geben:
- genetische Untersuchungen
- laborchemische Testverfahren
Die molekular-genetischen Untersuchungen sind eher für Forschungszwecke relevant. Bisher weiß man, dass bestimmte Veränderungen auf Chromosom 2 und 8 ursächlich für Morbus Fahr sein können. So sorgt beispielsweise eine Mutation auf Gen 8 dafür, dass ein bestimmter, natriumabhängiger Phosphattransporter nicht einwandfrei funktioniert. Man nimmt daher an, dass diese Mutation auf molekularer Ebene für das Fahr-Syndrom ursächlich sein könnte. Hier weitere Erkenntnisse zu gewinnen, ist eine herausfordernde wissenschaftliche Aufgabe.
Bei den laborchemischen Testverfahren wird die Störung des Kalzium-Stoffwechsels bestimmt. Ein über längere Zeit anhaltender Kalziummangel kann beispielsweise zum Morbus Fahr-Syndrom führen. Morbus Fahr tritt dann als sekundäres Syndrom endokrinologischer Störungen auf:
- Hypoparathyreoidismus – eine Erkrankung, die durch die Unterfunktion der Nebenschilddrüsen verursacht wird
- Vitamin D-Stoffwechselstörungen
- Tuberöse Sklerose – Erbkrankheit mit Hautveränderungen, Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns.
In der Diagnostik müssen daher sorgfältig andere Ursachen für die Verkalkungen in den Basalkernen ausgeschlossen werden. Verkalkungen treten beispielsweise auf bei Tumorerkrankungen, nach Schlaganfällen oder einem Trauma oder nach Infektionen wie der Syphilis. Sie entwickeln sich erst Monate oder Jahre nach der eigentlichen Schädigung.
Gut zu wissen
An der Universitätsklinik Mannheim gibt es an der Neurologischen Klinik eine Studie zu Morbus Fahr, in deren Rahmen das bundesweite erste Fahr-Net-Register aufgebaut wird. Mit dieser klinischen Beobachtungsstudie sollen ein besseres Verständnis der seltenen und bisher nicht wirklich erforschten Erkrankung gewonnen und eine verbesserte Patientenversorgung entwickelt werden.
Weil die Funktionsstörungen des Gehirngewebes bei Morbus Fahr bis heute noch nicht wissenschaftlich ganz geklärt werden konnten, gibt es außer dem bildgebenden Verfahren und der Analyse des Kalziumstoffwechsels keine weiteren Diagnosetools. Mit Hilfe des Fahr NET-Registers, das an der Universitätsklinik Mannheim etabliert wird, sollen eine differenzierte Diagnostik und mögliche Therapieverfahren aufgebaut werden können. Die Zahl der hier erfassten Patient*innen wächst, liegt aber noch unter 100 Personen.
Therapie des Morbus Fahr
Da man bisher so wenig über die Zusammenhänge und Prozesse von Morbus Fahr weiß, gibt es auch keine wirkliche Therapie der Krankheit. Das Fahr-NET Register ist eine erste Form von Beobachtungsstudie, die mit Grundlagenforschung an Tier-Modellen einhergehen und Studienkohorten aufbauen soll, um neue Therapieansätze zu entwickeln und zu testen.
Bei den symptomlosen Morbus Fahr-Erkrankungen wird bisher therapeutisch nicht eingegriffen, was aber auch daran liegt, dass keine Diagnose gestellt wurde. Aber auch bei festgestelltem Morbus Fahr sind die Therapiemöglichkeiten sehr begrenzt, im Grunde können die Störungen zum aktuellen Zeitpunkt nur begleitend behandelt werden.
Gut zu wissen
Zu Morbus Fahr gibt es bisher Untersuchungen und einige wissenschaftliche Aussagen, wirklich erforscht und auch nur ansatzweise verstanden ist das Krankheitsphänomen bislang nicht. Man weiß, dass die Krankheit langsam voranschreitet, passende Medikamente gibt es noch nicht.
Im CT festgestellte Verkalkungsprozesse der Basalganglien werden symptomatisch behandelt. Die Betroffenen erhalten Ergotherapie oder Physiotherapie, um ihre körperlichen Beeinträchtigungen zu verbessern. Vielmehr kann aber nicht gegen die langsam fortschreitende Erkrankung getan werden.
In der Literatur ist davon die Rede, dass mit einer Korrektur des Kalzium-Spiegels Verbesserungen bei Sprachstörungen und Kopfschmerzen erreicht werden können. Diese Therapie greift wahrscheinlich gerade dann, wenn eine endokrinologische Störung vorliegt, die ursächlich für die Kalkablagerungen in den Basalkernen ist.
Dinatriumetidronat ist ein Wirkstoff, der in der Osteoporose-Therapie und bei Störungen des Kalziumstoffwechsels eingesetzt wird. Möglicherweise könnte dieses Präparat auch bei Verkalkungen des Gehirns sinnvoll sein, allerdings fehlen bisher aussagekräftige Studien dazu.