Bei der Krankheit Fibrodysplasia Ossificans Progressiva verknöchern nach und nach bestimmte Strukturen im Körper, die dazu nicht bestimmt sind. Dadurch ergibt sich eine voranschreitende Versteifung von Gelenken und Wirbelsäule, die den Alltag erschwert.

Wir verraten Ihnen, wie es zu der seltenen Erkrankung kommt und welche Therapieoptionen zur Verfügung stehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei FOP handelt es sich um eine seltene Erkrankung, die durch eine genetische Mutation hervorgerufen wird.
  • Bei der Erkrankung bilden sich Knochen außerhalb des Skeletts.
  • Fibrodysplasia Ossificans Progressiva ist nicht heilbar, spezielle Medikamente befinden sich im Prüfverfahren.
  • Menschen mit FOP büßen frühzeitig an Bewegungsfreiheit ein und besitzen deshalb bereits in jungen Jahren einen Pflegegrad.

Was ist Fibrodysplasia Ossificans Progressiva?

Bei Fibrodysplasia Ossificans Progressiva, kurz FOP, handelt es sich um eine genetische Erkrankung.[1] Im Krankheitsverlauf bilden sich in untypischen Regionen des Körpers Knochen – Mediziner nennen das eine heterotope Ossifikation. Bei Patienten kommt es zu einer Verknöcherung der Muskeln, des Binde- und Stützgewebes, plötzlich finden sich harte Strukturen an Bändern, Sehnen und Skelettmuskeln.1,[2] Diese ungewöhnlichen Transformationsprozesse führen zu einer massiven Bewegungseinschränkung bei Betroffenen. Fibrodysplasia Ossificans Progressiva ist selten: Etwa ein Mensch von 2.000.000 erkrankt daran.[3] In der Regel diagnostizieren Mediziner FOP bereits im Kindesalter.

Fibrodysplasia Ossificans Progressiva: Symptome

Das Kernsymptom der Erkrankung ist der voranschreitende Ersatz von Muskeln, Sehnen und Bändern durch Knochen. Die Krankheit beginnt in der frühen Kindheit – hier sind vor allem Nacken und Schultern betroffen. Allmählich breitet sich die Erkrankung über den gesamten Körper aus. Wie schnell und wie viel neue Knochenmasse entsteht, ist sehr individuell – einige Patienten sind vergleichsweise schnell im Alltag eingeschränkt, andere hingegen erst später.[4]

Noch bevor die charakteristischen Umwandlungsprozesse die Bewegungsfreiheit einschränken, fällt bei Betroffenen mit einer klassischen FOP eine Besonderheit auf: Ihr großer Zeh ist missgebildet und kurz, in einigen Fällen wächst er im weiteren Verlauf nach innen und über den zweiten Zeh hinaus.4 Etwa die Hälfte aller Kinder weist zudem einen fehlgebildeten Daumen auf.2

FOP-Symptome im Überblick:

  • fehlgebildeter großer Zeh (ab Geburt)
  • voranschreitende Knochenbildung an Bändern, Muskeln und Bindegewebe
  • geschwollenes Weichteilgewebe an Rücken, Schultern und Nacken
  • Skoliose oder Kyphose (Verformungen der Wirbelsäule)
  • Schwerhörigkeit
  • eingeklemmte Nerven
  • reduzierte Beweglichkeit durch Steifheit und Schmerzen
  • Probleme beim Essen oder Sprechen
  • Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Lernvermögen (in schweren Fällen)

Expertentipp von Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort:

„Bereits mit Ende 20 sind die meisten Patienten auf einen Rollstuhl angewiesen.3 Mit zunehmendem Krankheitsfortschritt können Patienten dann vollständig immobil und damit bettlägerig werden. Durch die Schwere der Erkrankung haben Betroffene in der Regel einen Anspruch auf einen

Welche Formen der Fibrodysplasia Ossificans Progressiva gibt es?

Mediziner unterscheiden bei der Fibrodysplasia Ossificans Progressiva zwei verschiedene Formen, ausschlaggebend sind hier die vorliegenden Symptome.

  • Klassische FOP: Bis auf die Fehlbildung der großen Zehen machen Kinder einen normalen Eindruck. Innerhalb der ersten zehn Lebensjahre treten dann schmerzhafte Schwellungen der Weichteile, sogenannte flare-ups, auf. Sie ergeben sich häufig durch Virusinfektionen, Muskelzerrungen, Injektionen, Stürze, Weichteilverletzungen oder Erschöpfung. Im Rahmen der Weichteilschwellungen kommt es zur Umformung in knöcherne Strukturen.3
  • Atypische FOP: Hierbei weisen die Patienten die klassischen Merkmale wie missgebildete Großzehen auf und besitzen zudem untypische Symptome wie ein verzögertes Wachstum, eine aplastische Anämie oder ein kindliches Glaukom. Alternativ weichen sie stark von den typischen Besonderheiten ab – Patienten haben dann beispielsweise normale Großzehen.3

Ursachen von Fibrodysplasia Ossificans Progressiva – wie kommt es zu FOP?

Die Ursache von FOP liegt in den Genen verborgen. Hier sorgt eine Mutation des sogenannten ACVR1-Gens für die Erkrankung. Zur Erklärung: Das ACVR1-Gen weist den Organismus an, Typ-1-Rezeptoren für das Protein Bone Morphogenic Protein (BMP) zu produzieren. Das Protein befindet sich in Muskeln und Knorpeln und reguliert das Wachstum und die Entwicklung von Knochen und Muskeln.4 Durch die Mutation sind der Rezeptor und einzelne Wachstumsfaktoren überaktiv – genau das führt zu einer Entgleisung des Knochenstoffwechsels.[5] FOP zählt zu den autosomal-dominant vererbten Erkrankungen. Das bedeutet, dass ein Kind die Krankheit erben kann, wenn nur ein leiblicher Elternteil die Genmutation weitergibt – das geschieht mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Die meisten FOP-Fälle treten allerdings spontan aufgrund einer neuen Mutation des ACVR1-Gens auf, die Familiengeschichte spielt dabei keine Rolle.

Wie diagnostizieren Mediziner FOP?

Oftmals werden Mediziner bereits bei Geburt auf den klassischen Hinweis, die verkrümmten und verkürzten Großzehen, aufmerksam. Da Fibrodysplasia Ossificans Progressiva so selten ist, kann es jedoch passieren, dass Patienten zunächst eine falsche Diagnose erhalten.1 Die Weichteilschwellungen können beispielsweise an Krebs, juvenile Fibromatose oder fibröse Dysplasie erinnern – untersuchen Ärzte einen FOP-Tumor unter dem Mikroskop, können die Proben tatsächlich einem Krebstumor ähneln. Mediziner führen jedoch keine diagnostische Biopsie durch, wenn die Diagnose „Fibrodysplasia Ossificans Progressiva“ im Raum steht – das Untersuchungsverfahren kann nämlich zu schweren Knochenwachstumsschüben führen. Stattdessen ordnet der Mediziner bei einem hinreichenden Verdacht einen Gentest an, um die Genmutation aufzudecken – dafür entnimmt der Arzt dem Patienten eine kleine Menge Blut. Bildgebende Verfahren, wie eine Röntgenuntersuchung, helfen dabei, festzustellen, wie viel Knochen an untypischen Stellen gewachsen ist.4

Fibrodysplasia Ossificans Progressiva: Behandlung

Wie bei vielen anderen genetischen Erkrankungen gibt es auch für FOP-Patienten keine Heilung. Für die Behandlung setzen Mediziner eine viertägige Kur mit hochdosierten Kortikosteroiden ein. Die Medikamente können dabei helfen, die ausgeprägten Entzündungen und die Gewebeödeme zu reduzieren, allerdings muss der Einsatz innerhalb der ersten 24 Stunden nach einem Schub beginnen und sollte auf Krankheitsschübe und gewisse Körperregionen (große Gelenke, Kiefer und Unterkieferbereich) begrenzt werden. Grund dafür ist, dass Schübe in anderen Körperregionen wie Rücken, Nacken oder Rumpf länger anhalten und Mediziner den exakten Beginn der Krankheitsschübe hier nur schlecht bestimmen können.[1] Zwischen den Krankheitsschüben können Ärzte nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente oder Muskelrelaxantien bei Muskelkrämpfen verschreiben.2,6 Da die zunehmende Bewegungseinschränkung die Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen erhöht, ist es bei einigen Patienten sinnvoll, eine vorbeugende Antibiotikatherapie einzuleiten.2

Weitere Therapieansätze sind:

  • Tragen einer Zahnspange
  • Beanspruchung einer Ergotherapie
  • Versorgung mit Gehhilfen wie einem Rollstuhl
  • Genetische Beratung

Gut zu wissen!

In Europa existiert keine spezifische Behandlung, allerdings befinden sich viele Medikamente derzeit im Prüfverfahren. In Kanada gibt es mit Palovaroten (Sohonos™) bereits ein Medikament zur Behandlung von FOP.5

Wie verläuft FOP?

Der Krankheitsverlauf ist von Patient zu Patient unterschiedlich und kann somit nicht zweifelsfrei vorhergesagt werden. Allerdings können sich die meisten Betroffenen zum Zeitpunkt der Geburt normal bewegen. Innerhalb der ersten zehn Lebensjahre beginnt die ungewollte Transformation der Körperstrukturen, was zu entzündlichen Weichteilschwellungen führt. Ab dem 30. Lebensjahr verschmelzen heterotope Knochen schrittweise miteinander und bilden eine Brücke mit den normalen Knochen – dadurch kommt es zur Blockierung der Gelenke. Laut Literatur beträgt das mittlere Überlebensalter von Menschen mit FOP etwa 40 Jahre.[1]

Fibrodysplasia Ossificans Progressiva in der Pflege

Die Erkrankung Fibrodysplasia Ossificans Progressiva ist für Betroffene, aber auch für pflegende Angehörige, eine Herausforderung im Alltag. Durch die Erkrankung werden die Patienten meist schon in jungen Jahren zu einem Pflegefall. Sie benötigen dann insbesondere Unterstützung bei der Grundpflege, also der Körperhygiene, Ernährung und der Mobilisation. Die Krankheit kann für Ihren Angehörigen psychisch sehr belastend sein – so kann es beispielsweise zu Angsterkrankungen oder Depressionen kommen. Eine häusliche Pflege bei FOP ist zwar möglich, aber für Angehörige oft mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Um Unterstützung und damit Entlastung zu erhalten, ist die Beanspruchung von Pflegekassenleistungen sinnvoll. Fällt Ihnen auf, dass die Selbstständigkeit Ihres Angehörigen merklich eingeschränkt ist, motivieren Sie ihn bestenfalls, einen Pflegegrad bei der Pflegekasse zu beantragen.

Kann man FOP vorbeugen?

Da es sich meist um eine spontane Mutation in den Genen handelt, können Sie bzw. Ihr Angehöriger sich nicht vor der Erkrankung schützen. Allerdings können Sie Ihrem Familienmitglied dabei helfen, Beschwerden vorzubeugen, die in Zusammenhang mit FOP stehen. Der Schlüssel dazu ist die Vermeidung von Muskel- und Gewebeverletzungen, die Krankheitsschübe auslösen können.

Vorbeugende Maßnahmen bei FOP:

  • Stärken Sie das Gefahrenbewusstsein bei Ihrem Angehörigen – er sollte unbedingt Situationen vermeiden, in denen er stürzen oder sich verletzen kann.
  • Achten Sie darauf, dass Injektionen in das Fettgewebe gesetzt werden (subkutane Injektionen) anstatt in den Muskel (intramuskuläre Injektionen).
  • Beugen Sie Infektionen wie Erkältungen oder Grippe bei Ihrem Angehörigen vor (dazu tragen Pflegehilfsmittel zum Verbrauch bei).
  • Legen Sie viel Wert auf eine gute Zahnhygiene, um zahnärztliche Eingriffe zu vermeiden.

Hier erhalten Sie Hilfe, wenn Ihr Angehöriger an FOP erkrankt ist

Sie möchten sich näher über die Erkrankung Fibrodysplasia Ossificans Progressiva informieren oder Ihrem Angehörigen Unterstützung zur Seite stellen?

Folgendes kann Ihnen dabei helfen:

  • Lesen Sie die Richtlinien zur medizinischen FOP-Behandlung, diese werden von spezialisierten Ärzten verfasst.
  • Sehen Sie sich auf der Webseite des International Clinical Council (ICC) zu FOP um – hier teilen Mediziner unter anderem wertvolle klinische Erfahrungen.
  • Treten Sie mit dem FOP e.V. in Kontakt. Der Verein unterstützt Patienten und Angehörige, zum Beispiel mit der Kontaktherstellung zu anderen Betroffenen.

FAQ: häufige Fragen rund um Fibrodysplasia Ossificans Progressiva