Angst zu empfinden, gehört zum Leben dazu. Die Angst dient dem Selbstschutz und stellt eine natürliche Reaktion des Körpers auf (potentielle) Gefahrensituationen dar. Menschen mit einer Angststörung spüren aber auch in einer harmlosen Situation eine ausgeprägte Angst. Diese wird vom Betroffenen nicht als hilfreich, sondern als belastend empfunden.

Wir verraten Ihnen heute, wie sich eine Angststörung anfühlt, was sie auslöst und welche Therapiemaßnahmen es gibt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Angsterkrankungen sind im Pflegebereich weit verbreitet.
  • Mediziner können unter anderem eine Panikstörung, eine soziale Angststörung, eine generalisierte Angststörung oder eine spezifische Phobie feststellen.
  • Schweißausbrüche, ein Engegefühl in der Brust, Atemprobleme oder Schwindel können auf eine Angsterkrankung hindeuten.
  • Ärzte behandeln eine Angststörung vorrangig mit Psychotherapien oder Medikamenten – auch Sport und Entspannungsmaßnahmen können hilfreich sein.
  • Pflegende Angehörige sollten die Ängste ernst nehmen und dem Pflegebedürftigen einen Arzttermin ans Herz legen.

Was sind Angststörungen?

Ohne Angst würde sich ein Mensch wohl ständig in gefährliche Situationen begeben und aus ihnen nicht entkommen. Angst macht vorsichtig – Personen gehen deshalb nicht ohne zusätzliche Absicherung, beispielsweise in Form einer Ampel oder eines Zebrastreifens, über eine stark befahrene Straße. Außerdem sorgt Angst für Handlungsfähigkeit – bei einem Überfall gibt sie den Impuls zu flüchten oder Abwehrmaßnahmen einzuleiten. Angst hat allerdings auch eine Kehrseite, wenn sie zu stark in Erscheinung tritt. Menschen mit einer Angststörung empfinden eine der Situation nicht angemessene Angst, die das Leben stark einschränkt und Betroffene handlungsunfähig macht.

Folgendes kennzeichnet eine Angststörung:

  • die Angst tritt in unangebrachten Situationen und zu oft auf.
  • sie steht in keinem Verhältnis zum vorliegenden Grad der Bedrohung.
  • die Angst hält in einem intensiven Maß und lange an, sodass eine normale Alltagsführung beeinträchtigt ist.

Wichtig: Bei einer Angststörung gibt es in der Regel keine reale Bedrohung, die zu den Angstgefühlen führt – es gibt also keinen Hinweis darauf, dass der Körper in der vorliegenden Situation psychisch oder körperlich Schaden erleidet. Auffällig ist, dass Betroffene mit Blick auf Dinge oder in Situationen starke Angst empfinden, die die Gesellschaft als normal ansieht.

Welche Formen der Angststörung gibt es?

Die Gruppe der Angststörungen ist in der Gesellschaft weit verbreitet – sie stellt die häufigste psychische Störung dar. Jede vierte Person entwickelt zeit ihres Lebens irgendwann einmal eine Angststörung. Außerdem haben bis zu 14 % der Gesellschaft eine Angststörung, die behandlungsbedürftig ist.[1]

Es gibt eine Vielzahl an Angststörungen. Zu den häufigsten zählen:

  • Panikstörung: Leidet Ihr Angehöriger unter einer Panikstörung, treten bei ihm wiederholt schwere Angstanfälle auf. Die Attacken dauern meist längstens 30 Minuten. Wie oft die Attacken auftreten, ist sehr individuell – manche Personen berichten von mehreren Angstanfällen täglich, andere spüren sie etwa einmal im Monat. Ihr Familienmitglied lebt aber nicht nur mit der Angst in der spezifischen Situation, sondern auch mit der Angst vor der nächsten Attacke. Panikattacken kommen häufig aus dem Nichts, zum Beispiel beim Fernsehschauen. Zudem können sie an bestimmte Situationen geknüpft sein – viele Menschen mit einer Angststörung entwickeln eine Attacke, wenn sie sich in Situationen befinden, aus denen es keinen schnellen Ausweg gibt, zum Beispiel im Fahrstuhl, im Flugzeug oder in Menschenmengen.[2]
  • Generalisierte Angststörung: Bei einer generalisierten Angststörung macht sich Ihr Angehöriger anhaltend Sorgen und besitzt Ängste. Die Ängste betreffen viele Lebensbereiche und können auch ohne Grund in Erscheinung treten. Ihr Familienmitglied kann sich aber auch mit realen Bedrohungen auseinandersetzen – vielleicht hat Ihr Angehöriger Angst, dass Sie bei einem Autounfall ums Leben kommen könnten oder der Enkel eine Erkrankung entwickelt. Entscheidend für eine generalisierte Angststörung ist die übersteigerte Furcht. Oft geben Betroffene an, dass sie spüren, dass sich eine Katastrophe anbahnt.4
  • Soziale Angststörung: Hierbei liegt bei Ihrem Familienmitglied eine extreme Form der Schüchternheit vor. Ihr Angehöriger entwickelt in Situationen Angst, in denen er sich beobachtet fühlt. Erröten, Zittern, plötzlicher Harndrang – all das kann beispielsweise bei einem Arztbesuch oder in einem Restaurant auftreten.4
  • Spezifische Phobien: Bei der spezifischen Phobie hat Ihr Angehöriger Angst in spezifischen Situationen oder vor konkreten Objekten, die jedoch als harmlos gelten. Womöglich fürchtet sich Ihr Familienmitglied vor Mäusen oder Spinnen. Vielleicht trägt Ihr Angehöriger auch eine ausgeprägte Angst vor Höhen oder Spritzen in sich. Angstgefühle machen sich bei Betroffenen aber nicht nur in der jeweiligen Situation bemerkbar – schon alleine der Gedanke daran kann ausgeprägtes Unbehagen oder starke Angst auslösen. Bei einer spezifischen Phobie hilft es übrigens nicht, wenn Sie Ihrem Familienmitglied beispielsweise erklären, dass eine Spinne hierzulande nicht gefährlich ist, die Angstgefühle bleiben.4

Angststörungen bei Pflegebedürftigen: Symptome

Starke Angstgefühle gehen an Ihrem Angehörigen nicht spurlos vorbei. So können körperliche Symptome auf eine Angsterkrankung hindeuten.

Bei folgenden Beschwerden sollten Sie hellhörig werden:

  • Schweißausbrüche
  • Zittern
  • Erröten
  • Übelkeit
  • Herzrasen
  • Harndrang
  • Muskelverspannungen
  • Atemnot
  • Schwindel
  • Engegefühl in der Brust

Häufig bringen Betroffene und pflegende Angehörige die Beschwerden nicht mit einer Angsterkrankung in Verbindung. Es kann beispielsweise sein, dass Ihr Angehöriger den Arzt aufsucht, weil er eine körperliche Erkrankung vermutet. Beim Hausarzt oder Kardiologen ergibt sich dann meist kein Hinweis auf einen Herzinfarkt oder andere körperliche Ursachen.

Expertentipp Dipl. Ges. Oec. (FH) Jennifer Ann Steinort:

„Im Pflegealltag gelingt es nicht immer, Symptome einer Angststörung richtig zu deuten. Insbesondere, wenn Pflegebedürftige kognitive Beeinträchtigungen oder Kommunikationsschwierigkeiten haben, können sie sich oft nicht gezielt mitteilen. Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Angehöriger sich in letzter Zeit zurückzieht oder vermehrt unter körperlichen Beschwerden wie Herzrasen oder Schwitzen leidet, sollten Sie sicherheitshalber einen Arzttermin vereinbaren.“

Angst und Angststörungen bei Demenzkranken

Bei Ihrem Angehörigen wurde Demenz diagnostiziert? Dann ist Angst vielleicht auch für Sie im Pflegealltag ein Thema. Schließlich treten Angst und Angststörungen häufig bei Menschen mit Demenz auf.[1] Grund dafür ist, dass Erkrankte sich selbst, ihre Umgebung und andere Personen um sie herum mit der Zeit nicht mehr erkennen können. Außerdem fällt das Einschätzen von Situationen schwer. Für Ihren Angehörigen ist es nun besonders wichtig, dass er Geborgenheit und Ruhe erfährt. Die Aromatherapie, geführte Meditationen, die Hand zu halten und ein Fußbad können dabei helfen.[2]

Ursachen von Angststörungen: was führt zu der Angst im Pflegealltag?

Experten gehen davon aus, dass es verschiedene Faktoren gibt, die eine Angststörung hervorrufen können. Nicht nur einzelne Faktoren, auch eine Kombination dieser kann ursächlich für die Angsterkrankung sein.

  • Erbliche Faktoren: Mediziner vermuten, dass genetische Faktoren an der Entstehung von Angststörungen beteiligt sind. Auffällig ist nämlich, dass es familiäre Häufungen von Angsterkrankungen gibt. Wissenschaftlern ist es bisher aber nicht gelungen, ein spezifisches Gen zu bestimmen, dass die Angststörung hervorruft. Deshalb gehen sie davon aus, dass mehrere Gene diese verursachen.[3]
  • Neurobiologische Faktoren: Wie Sie bestimmt wissen, gibt es verschiedene biologische und chemische Vorgänge im menschlichen Organismus. Forscher vermuten, dass die Balance von Botenstoffen, die auch als Neurotransmitter bezeichnet werden, bei Angststörungen aus dem Takt geraten ist. Von Interesse scheinen Botenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin oder Gamma-Aminobuttersäure (GABA) zu sein. Interessant ist, dass GABA beispielsweise ein Botenstoff im Gehirn ist, der Angst hemmt. Außerdem ist es möglich, dass Angstpatienten eine Veränderung in ausgewählten Bereichen des Gehirns aufweisen, die mit der Steuerung menschlicher Emotionen verknüpft sind – das legen Untersuchungen nahe.7
  • Psychische Faktoren: Übersteuerte Ängste können auch durch frühe Trennungserlebnisse oder traumatische Kindheitserfahrungen wie sexueller Missbrauch entstehen. Besonders häufig ergeben sich Angststörungen durch Situationen, in denen sich Menschen über lange Zeit belastet und überfordert fühlen. Das liegt daran, dass die Personen einem hohen Stressniveau und einer damit verbundenen Hilflosigkeit ausgeliefert sind.3
  • Sonstige Faktoren: Pflegebedürftige können auch eine Angststörung aufgrund eines medizinischen Leidens wie Herzkrankheiten, Diabetes oder Lungenkrankheiten wie COPD1,2 Außerdem kann ein Missbrauch von Drogen oder Alkohol die Basis für ausgeprägte Ängste bilden.

Wie wird eine Angststörung bei Pflegebedürftigen diagnostiziert?

Im Mittelpunkt der Diagnosestellung steht zunächst ein gemeinsames Gespräch zwischen Mediziner und Ihrem Angehörigen. Außerdem können Sie wertvolle Informationen beisteuern, zum Beispiel zu den Symptomen und zu den Auswirkungen im Pflegealltag. Während der Anamnese, also dem Arzt-Patienten-Gespräch, können Mediziner Ihrem Angehörigen folgende Fragen stellen:

  1. Wie äußert sich die Angst in Ihrem Alltag?
  2. In welchen Situationen kommt es zu Beschwerden?
  3. Welche Symptome spüren Sie dann?
  4. Seit wann sind Ihnen die Ängste bekannt?
  5. Wie gehen Sie im Alltag mit den Ängsten um?

Im Anschluss erfolgt in der Regel eine körperliche Untersuchung, da einige Erkrankungen ähnliche Symptome wie bei einer Angststörung hervorrufen können. Dazu zählen Schilddrüsenüberfunktionen oder Herzkreislaufprobleme.[1]

Gut zu wissen!

Ist Ihrem Angehörigen oder Ihnen nicht gänzlich klar, was zu den Ängsten führt, kann der Mediziner Sie bitten, ein Angsttagebuch zu führen. Darin vermerken Sie auslösende Situationen, Beschwerden und das jeweilige Datum.

Wie werden Angststörungen behandelt?

Die gute Nachricht: Angststörungen lassen sich in der Regel effektiv behandeln. Dabei kommen Psychotherapien und/oder Medikamente zum Einsatz. Besonders erfolgversprechend ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei lernt Ihr pflegebedürftiges Familienmitglied, welche Denkabläufe die Ängste ermöglichen. Außerdem kann Ihr Angehöriger so das vermeidende Verhalten abstellen. Der Therapeut kann auch vorschlagen, den Betroffenen mit der angstauslösenden Situation zu konfrontieren, umso die Ängste abzubauen – keine Sorge, Ihr Angehöriger entscheidet selbst, ob er eine Übung durchführen möchte oder nicht. Ein weiterer Ansatzpunkt ist eine Medikamentenverabreichung. Die Mittel der Wahl sind Antidepressiva oder bestimmte Antiepileptika (Pregabalin). Bei Angststörungen sind sogenannte Benzodiazepine gut wirksam. Allerdings wissen Mediziner, dass diese ein Abhängigkeitsrisiko bergen und die Wahrscheinlichkeit für Stürze bei älteren Menschen erhöhen. Daher verschreiben Ärzte sie nur in Ausnahmefällen und für einen überschaubaren Zeitraum. Ist die Ursache ein medizinisches Leiden, kommen auch hier meist Medikamente zum Einsatz. Viele Patienten profitieren außerdem von körperlicher Aktivität und Entspannungsverfahren, um Ängste zu lösen.[2],[3]

Wie verläuft eine Angststörung?

Angststörungen können erfolgreich behandelt werden – bei Ihrem Familienmitglied können sich durch eine Therapie die Beschwerden lindern und angstbehaftete Situationen an Schrecken verlieren. Unbehandelt bestehen Angststörungen aber meist dauerhaft, denn nur in wenigen Fällen bilden sie sich von alleine zurück. So kann es passieren, dass Ihr Familienmitglied einen Großteil des Tages damit verbringt, über die Angst nachzudenken. Außerdem bemerken Sie womöglich, dass sich Ihr Angehöriger immer weiter zurückzieht. Durch die Folgen der Angststörung können auch Depressionen oder eine Alkohol- sowie Tablettensucht drohen. Grundsätzlich gilt: So länger die Angststörung besteht, desto schwieriger ist es, sie erfolgreich zu behandeln. Deshalb ist es empfehlenswert, dass Sie bei Ihrem Familienmitglied möglichst frühzeitig einen Arztbesuch anregen. Allerdings können auch Angststörungen, die gezielt therapiert wurden, im Laufe der Zeit wieder auftreten.10

Angststörungen in der Pflege

Angststörungen sind belastend, in jedem Fall für Patienten, aber auch für pflegende Angehörige. Ein normaler Pflegealltag ist mit ausgeprägten Ängsten beinahe unmöglich. So können beispielsweise das Planen und Umsetzen von Unternehmungen schwerfallen. Auch die Grundpflege, also Körperhygiene, Ernährung und Mobilisation, können mit Blick auf die Ängste beeinträchtigt sein. Nur ein Beispiel ist, dass Ihr Angehöriger möglicherweise nicht mehr das Badezimmer betreten möchte, weil er dort eine Spinne vermutet. Unter Umständen beeinträchtigt die Angst auch die medizinische Versorgung, weil der ambulante Pflegedienst dem Pflegebedürftigen aufgrund der Angst vor Spritzen nur erschwert Insulin verabreichen kann. Als pflegender Angehöriger sollten Sie die Ängste Ihres Angehörigen nicht abtun oder gar für lächerlich erklären. Patienten empfinden diese als sehr real. Neben einem Arztbesuch kann es sinnvoll sein, einen Pflegegrad bei psychischen Erkrankungen zu beantragen – damit hat der Betroffene Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse.

Kann man Angststörungen vorbeugen?

Eine Angststörung ist meist nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen, daher fällt die gezielte Vorsorge schwer. Außerdem lassen sich bestimmte Faktoren wie erbliche oder neurobiologische Faktoren nur kaum oder gar nicht beeinflussen. Was mit Blick auf die psychische Gesundheit allerdings stets wichtig ist, ist ein Gleichgewicht zwischen belastenden und entlastenden Situationen. Achten Sie darauf, dass Ihr pflegebedürftiges Familienmitglied nicht ständig unter Stress steht. Schaffen Sie trotz der Pflegebedürftigkeit ein Netz an sozialen Beziehungen. Regelmäßige Bewegung und Entspannungsübungen können das körperliche und seelische Wohlbefinden steigern. Denken Sie daran: Psychisch gesunde Menschen können besser mit alltäglichen Herausforderungen wie einer Pflegesituation umgehen und sie bewältigen. Gerät das psychische Gleichgewicht bei Ihrem Familienmitglied beispielsweise durch den Verlust des Ehepartners oder der Kenntnis einer ernstzunehmenden Erkrankung aus dem Takt, sind Sie als Angehöriger ein wichtiger Anker. Doch auch Sie sollten darauf achten, dass es Ihrer Seele gut geht. Daher unser Tipp: Nutzen Sie den Entlastungsbetrag oder die Verhinderungspflege, um Entlastung zu erfahren und Zeit für sich selbst zu haben.

Hier erhalten Sie Hilfe, wenn Ihr Angehöriger eine Angststörung besitzt

Haben Sie keine Scheu, sich neben der ärztlichen Behandlung bei einer vorliegenden Angststörung Hilfe zu holen. Sie können Ihren Angehörigen beispielsweise ermutigen, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. Hier tauschen sich Betroffene über Beschwerden aus und geben sich gegenseitig Tipps für den Alltag. Immer wieder ist zu beobachten, dass Selbsthilfegruppen Mitgliedern einen starken Rückhalt und Kraft geben. Bei einer akuten Angstsituation kann sich Ihr Angehöriger auch an die Telefonseelsorge (Telefon 0800/1110111 oder 0800/1110222) wenden. Am besten hängen Sie die Telefonnummer gut sichtbar im Wohnumfeld, beispielsweise am Kühlschrank, auf.

FAQ: häufige Fragen rund um Angststörungen