Dieser Artikel gibt einen kompakten Überblick über das Fibromyalgiesyndrom, einschließlich seiner Definition, Symptome, Diagnose und Therapie.

Vieles zum Fibromyalgiesyndrom ist umstritten und Thema aktueller Forschung – sowohl für die Definition, Klassifikation, Ursachen als auch für die diagnostischen Kriterien sind im letzten Jahrzehnt viele Änderungen vorgeschlagen worden. Verschiedene Fachbereiche haben in diesen Punkten oft auseinandergehende Meinungen. Dieser Artikel orientiert sich an der in Deutschland aktuell gültigen Leitlinie, die in Zusammenarbeit der für diese Erkrankung führenden Fachgesellschaften erarbeitet wurde.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Fibromyalgiesyndrom ist eine häufige Erkrankung und betrifft etwa 2 % der Bevölkerung. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.
  • Es handelt sich um eine funktionelle Störung und keine organische Krankheit.
  • Die Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms sind langanhaltende, ausgedehnte Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen und Erschöpfungsneigung.
  • Die Psyche spielt sowohl bei der Entstehung als auch der Aufrechterhaltung des Fibromyalgiesyndroms eine Rolle und ist deshalb auch bei der Therapie von Bedeutung.
  • Das Fibromyalgiesyndrom ist nicht heilbar. Der Leidensdruck von Betroffenen kann aber durch eine individuelle Therapie gelindert werden.
  • Die Therapie beinhaltet vor allem bewegungsbasierte und psychotherapeutische Verfahren.

Definition – Was ist das Fibromyalgiesyndrom?

Der Begriff Fibromyalgie bedeutet übersetzt etwa „Faser-Muskel-Schmerz“. Umgangssprachlich wird sie fälschlich auch „Weichteilrheuma“ genannt. Die bessere und heutzutage bevorzugte Bezeichnung ist Fibromyalgiesyndrom.

Das Fibromyalgiesyndrom wurde in den Klassifikationskriterien der amerikanischen Fachgesellschaft für Rheumatologie (ACR-Kriterien 1990) als chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen und mindestens 11 von insgesamt 18 druckschmerzhaften tender points (siehe Symptome) definiert. Als chronisch, d. h. lange andauernd, gilt hier ein Zeitraum von mindestens drei Monaten.

Es handelt sich dabei vordergründig um eine funktionelle Störung und keine organische Erkrankung. Ausgeprägte körperliche Schädigungen werden nämlich nicht beobachtet. Der Leidensdruck der Betroffenen ist nichtsdestotrotz erheblich und real!

Wie häufig ist das Fibromyalgiesyndrom?

Etwa 2 % der Erwachsenen in Deutschland leiden am Fibromyalgiesyndrom. Damit handelt es sich um häufige Erkrankung. Mehrheitlich sind Frauen zwischen 40 und 60 Jahren betroffen.

Was sind die Symptome des Fibromyalgiesyndroms?

Die Kernsymptome des Fibromyalgiesyndroms sind:

  1. Chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen zusammen mit
  2. Schlafstörungen wie nicht-erholsamem Schlaf und
  3. einer ausgeprägten körperlichen und/oder geistigen Erschöpfungsneigung.

Besonders oft von den Schmerzen betroffen sind die Wirbelsäule sowie die Bereiche, an denen die Muskeln in Sehnen übergehen, also vor allem in der Umgebung der Gelenke. Die Gelenke selbst sind in der Regel nicht schmerzhaft. Klassisch für das Fibromyalgiesyndrom sind die druckschmerzhaften tender points.

Gut zu wissen!

Tender points (englisch für „empfindliche Punkte“) sind umschriebene druckschmerzhafte Punkte, die vor allem an Muskel-Sehnen-Übergängen und Sehnenansätzen liegen. Insgesamt 18 solcher tender points sind beschrieben, die symmetrisch über den Körper verteilt sind. Sie sind dabei nicht gleichzusetzen mit den ebenfalls druckschmerzhaften Triggerpunkten / Myogelosen, die im Gegensatz zu den tender points als knoten- oder strangförmige Verhärtung in der Muskulatur gut tastbar sind.

Neben den Kernsymptomen sind viele weitere Symptome im Zusammenhang mit dem Fibromyalgiesyndrom beschrieben, darunter:

  • eine allgemein erhöhte Schmerzempfindlichkeit
  • Reizüberempfindlichkeit, z. B. gegenüber Berührungen oder Geräuschen
  • Gefühlsstörungen (Parästhesien) an Händen und Füßen
  • Kopfschmerzen
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Herzrhythmusstörungen mit Herzrasen (Palpitationen)
  • Menstruationsbeschwerden bei Frauen
  • Mundtrockenheit
  • vermehrtes Schwitzen (Hyperhidrosis)
  • Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen; auch als „Fibro-Fog“ (von englisch fog „Nebel“) bezeichnet
  • depressive Episoden mit innerer Unruhe, Niedergeschlagenheit und Antriebsverlust
  • außerdem treten bei Betroffenen das Reizdarmsyndrom, das Reizblasensyndrom und das Restless-Legs-Syndrom häufiger auf

Wie ist der Verlauf des Fibromyalgiesyndroms?

Das Fibromyalgiesyndrom ist eine chronische Erkrankung und nicht heilbar.

Bei dem Großteil der Betroffenen bleiben die Beschwerden langfristig bestehen. Nur bei einem kleinen Teil kommt es zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden. Ein Teil der Lebensqualität kann jedoch durch eine fachgerechte Behandlung zurückgewonnen werden.

Insbesondere die Psyche spielt sowohl bei der Entstehung als auch bei der Aufrechterhaltung eine wichtige Rolle. Faktoren, die den Verlauf der Beschwerden ungünstig beeinflussen können, sind:

  • negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf die körperlichen Beschwerden,
  • eine unangemessene Krankheitsverarbeitung mit z. B. übermäßiger Schonung,
  • Depression oder
  • unangemessene Reaktionen Angehöriger wie fehlendes Verständnis, aber auch übertriebene Unterstützung der Betroffenen

Gut zu wissen!

Vom Fibromyalgiesyndrom Betroffene haben eine normale Lebenserwartung.

Was sind die Ursachen für das Fibromyalgiesyndrom?

Die Ursache für die Entstehung des Fibromyalgiesyndroms ist bisher (2022) nicht geklärt.

Da familiäre Häufungen regelhaft beobachtet werden, wird eine genetische Veranlagung (Prädisposition) angenommen. Allerdings führt erst das Zusammentreffen einer Prädisposition mit Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit zu erkranken erhöhen, zum Ausbruch der Erkrankung. Folgend sind einige solcher Risikofaktoren aufgelistet, die mit dem Fibromyalgiesyndrom in Zusammenhang gebracht werden:

  • Rauchen
  • Übergewicht
  • mangelnde körperliche Aktivität
  • entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis
  • Vitamin-D-Mangel
  • Stress im Alltag
  • sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung in der Kindheit sowie sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter
  • depressive Störungen

Zur Einordnung der Faktoren wird gern das biopsychosoziale Modell herangezogen, das das Zusammenspiel von Körper, Seele und sozialem Umfeld für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und die Entstehung von Erkrankungen beschreibt:

  • Biologische Faktoren betreffen den Körper, z. B. eine genetische Veranlagung.
  • Psychologische Faktoren betreffen die geistige und seelische Gesundheit, z. B. Stress als wichtigen Einflussfaktor.
  • Soziale Faktoren beinhalten unter anderem den familiären Rückhalt oder den Arbeitsplatz.

Gut zu wissen!

Einige dieser Faktoren lassen sich aktiv beeinflussen, so kann zum Beispiel das Rauchen aufgegeben oder mit Sport die körperliche Aktivität gesteigert werden. Andere Faktoren lassen sich wiederum nicht beeinflussen, wie etwa die genetische Veranlagung.

Diagnose – Wie wird das Fibromyalgiesyndrom festgestellt?

Das Fibromyalgiesyndrom wird in erster Linie anhand einer ausführlichen Befragung zur Krankheitsgeschichte (Anamnese) sowie einer körperlichen Untersuchung festgestellt. Ziel der Diagnostik ist, typische Konstellationen von Symptomen und Risikofaktoren zu erkennen und andere Erkrankungen als mögliche Ursache der Beschwerden auszuschließen.

Für die Anamnese können Fragebögen zum Einsatz kommen, die die Ausbreitung und Intensität der Schmerzen sowie weitere Symptome erfassen. Einige dieser Fragebögen sind standardisiert und ergeben einen Punktewert, der mit in die Beurteilung einfließt.

In der körperlichen Untersuchung wird u. a. die Schmerzhaftigkeit der tender points geprüft sowie nach anderen möglichen Ursachen für die Beschwerden gesucht. Hierzu können des Weiteren Blutuntersuchungen und bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT genutzt werden. Diese sind bei einem Fibromyalgiesyndrom in der Regel aber unauffällig.

Gut zu wissen!

Bei typischen Beschwerden eines Fibromyalgiesyndroms mit einem unauffälligem Laborbefund und fehlenden Hinweisen auf eine andere Erkrankung als Ursache der Beschwerden, kann in der Regel auf weitere technische Diagnostik wie MRT, Röntgen oder CT verzichtet werden.

Durch das Fehlen objektiv messbarer Veränderungen, der Vielseitigkeit der möglichen Beschwerden und das oft zeitgleiche Bestehen weiterer Erkrankungen dauert es bedauerlicherweise oft mehrere Jahre, bis das Fibromyalgiesyndrom korrekt erkannt wird. Oft warten Betroffene längere Zeit und halten ihre Beschwerden aus, bevor sie sie erstmals einem Arzt gegenüber ansprechen. Dies verzögert eine frühzeitige Diagnose zusätzlich.

Gut zu wissen!

Selbst wenn es keine nachweisbaren Verletzungen oder Veränderungen als Ursache gibt, bleiben Schmerzen ein behandlungswürdiges Symptom. Sprechen Sie Schmerzen – insbesondere neu aufgetretene und nicht erklärliche – gegenüber Ihrem Arzt an. Wie und wie gut sich Schmerzen lindern lassen, hängt dann wiederum in erster Linie von ihrer Ursache ab.

Wie wird das Fibromyalgiesyndrom behandelt?

Die Therapie des Fibromyalgiesyndroms ist von der Schwere der Erkrankung und etwaigen Begleiterkrankungen abhängig und sehr individuell. Das primäre Behandlungsziel ist die Unterstützung Betroffener im Umgang mit ihren Beschwerden und wenn möglich die Linderung dieser.

Eine angemessene körperliche Ertüchtigung als auch eine geistige, seelische und soziale Aktivierung wie das Pflegen von Hobbys und Sozialkontakten sind wichtige Säulen der Therapie. Für den Erfolg der Behandlung ist deshalb das Eigenengagement der Betroffenen unerlässlich.

Bei schweren Verläufen ist eine interdisziplinäre und multimodale Behandlung angezeigt. Das bedeutet, dass mehrere Therapeuten aus verschiedenen Fachrichtungen mit verschiedenen Therapieansätzen an der Behandlung beteiligt sind. Bestandteile einer multimodalen Therapie können sein:

  • Psychotherapie mit kognitiver Verhaltenstherapie, Krankheits- und Schmerzbewältigung oder Entspannungsverfahren
  • physikalische Therapien, z. B. Wärmetherapie
  • Physiotherapie
  • Bewegungstherapie
  • Ergotherapie
  • medikamentöse Therapie
  • komplementär- und alternativmedizinische Verfahren wie Tai-Chi, Qi-Gong, Yoga oder Akupunktur

Dabei sollen aber mindestens ein körperlich aktivierendes Verfahren und mindestens ein psychotherapeutisches Verfahren zum Einsatz kommen.

Gut zu wissen!

Medikamente sind nicht zwingend Bestandteil einer Therapie und spielen bei dem Fibromyalgiesyndrom eine eher untergeordnete Rolle. Nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen und starke Opioide sollten laut Leitlinie sogar nicht empfohlen werden.

Viele weitere Therapieoptionen können darüber hinaus die Basistherapie ergänzen und zusätzliche Linderung verschaffen, sind aber für eine alleinige Therapie nicht empfohlen.

Gut zu wissen!

Kältetherapie, Chirotherapie, hyperbare Sauerstofftherapie, Lasertherapie, Magnetfeldtherapie und Massage werden laut Leitlinie nicht empfohlen, da für diese Verfahren bisher kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis erbracht werden konnte.