Ein Schlaganfall, eine Krebserkrankung, ein Oberschenkelhalsbruch oder eine plötzliche Verschlechterung einer Demenz – das sind nur einige typische von vielen möglichen Situationen, die zu einem Pflegebedarf führen können. Prinzipiell können Menschen in jeder Lebensphase betroffen sein. Die Wahrscheinlichkeit steigt allerdings mit dem Alter deutlich an. Ab dem 85. Lebensjahr ist es sogar eher normal. Dann braucht mehr als die Hälfte der Menschen mindestens ein bisschen Pflege und Unterstützung.

Je früher Sie sich mit dem Thema Pflege beschäftigen, desto mehr Wissen haben Sie im Bedarfsfall schon gesammelt. Aber manchmal muss alles ganz schnell gehen. Hier finden Sie alle wichtigen Informationen zur Pflegeversicherung, zu finanzieller und organisatorischer Unterstützung sowie Hilfen für Zuhause als Übersicht. Außerdem wird erklärt, ab wann überhaupt von Pflegebedarf die Rede sein kann.

Alle nötigen Schritte werden nacheinander verständlich erklärt. Wenn Sie direkt zu einem späteren Abschnitt springen wollen, können Sie das über die Inhaltsfunktion auf der rechten Seite tun.

Tipp: Hinter den fett und blau markierten Worten finden Sie weiterführende Informationen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Schon wenn sich kleine Hilfen läppern, die Angehörige für jemanden leisten, kann es sein, dass der Bedarf hoch genug ist für Leistungen von der Pflegeversicherung.
  • Wer sich informieren möchte, kann bei den deutschlandweit tätigen Pflegeberatungsstellen eine individuelle, neutrale und kostenfreie Beratung in Anspruch nehmen.
  • Wenn Sie die Pflege für einen nahen Angehörigen organisieren und noch berufstätig sind, können Sie sich von heute auf morgen bis zu zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen.
  • Die Pflegeversicherung zahlt verschiedene Leistungen für Pflegebedürftige aus.
  • Um Leistungen zu erhalten, müssen Betroffene einen anerkannten Pflegegrad haben.
  • Der Pflegegrad wird durch ein staatlich definiertes Verfahren festgelegt.

Die ersten Schritte

Wer pflegerische Unterstützung für jemanden organisieren möchte, etwa für Eltern, Schwiegereltern, die Partnerin oder den Partner oder für sich selbst, hat es zunächst häufig mit vier Fragen zu tun:

  1. Welche konkrete (pflegerische) Unterstützung gibt es für Pflegebedürftige im Alltag?
  2. Wer kann mich dazu beraten?
  3. Woher gibt es finanzielle Unterstützung und organisatorische Hilfen?
  4. Wo muss wer dafür welchen Antrag stellen?

Was sich viele nicht fragen, was aber zum Problem werden kann, ist die Frage:
Darf ich die nötige Hilfe überhaupt für jemand anderen organisieren? Stichwort: Vollmacht.

Die guten Nachrichten lauten: Deutschland hat eins der besten Pflegesysteme weltweit und viele Menschen haben Anspruch auf unterstützende Pflegeleistungen.

Die schlechte Nachricht lautet: Es ist nicht ganz leicht, die optimale Hilfe tatsächlich auch zu erhalten, weil das System kompliziert ist und nicht alle Hilfen überall zur Verfügung stehen.

Vieles ist aber möglich, wenn man weiß, wo man die passenden Fragen stellen muss. Folgender Überblick soll dabei helfen.

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

Ist das schon Pflege?

Viele Erwachsene, die regelmäßig ihre Eltern bei alltäglichen Kleinigkeiten unterstützen, etwa für sie einkaufen oder Gartenarbeiten erledigen, würden das nicht als Pflege bezeichnen. Gebräuchlicher sind Formulierungen wie „Ich helfe / Ich unterstütze / Ich kümmere mich“. Als Pflegebedarf sehen es viele Senioren und auch Helfende erst dann an, wenn jemand Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen, Essen oder Trinken braucht.

Doch Pflege im Sinne des Gesetzes beginnt viel früher. Sobald jemand regelmäßig Hilfe im Alltag in einem gewissen Umfang braucht, ist es möglich, Leistungen von der Pflegeversicherung zu bekommen. Dafür muss nicht zwangsläufig eine Krankheit vorliegen. Entscheidend ist allein der Umstand, dass jemand Unterstützung braucht. Um Leistungen – Geld und auch organisatorische Hilfen – zu erhalten, müssen Betroffene allerdings den passenden Antrag stellen.

Ein Beispiel

Seit niemand mehr in der Bank am Schalter arbeitet, fährt Sabine ihre Mutter Gerda jeden Montag zur Bank, um mit ihr gemeinsam Geld für die Woche abzuheben. Wenn nötig, tätigen die beiden noch einige Überweisungen zusammen. Die Briefe der Woche gehen sie immer am Sonntag zusammen durch, um zu schauen, ob eine Rechnung dabei ist. Nach dem Bankbesuch kaufen sie gemeinsam für die Woche ein und Sabine trägt die schwereren Sachen in die Wohnung hoch in den dritten Stock. Das schafft Gerda nicht mehr. Meist braucht sie auf dem Weg nach oben auch ohne Einkäufe mindestens eine kleine Pause, um wieder zu Atem zu kommen. Die Arthrose macht ihr zunehmend zu schaffen. Immerhin will der Vermieter demnächst einen Außenaufzug ans Gebäude anbringen lassen. Dann wird sie wieder leichter in ihre Wohnung kommen und kann sich vorstellen, noch lange dort wohnen zu bleiben.

Freitags bringt Sabine ihre Mutter immer mit dem Auto zur Physiotherapie. Ein Bus fährt nicht zur passenden Zeit und selbst fahren möchte Gerda nicht mehr, seit sie vor kurzem fast ein Kind überfahren hätte, das einem Ball auf die Straße hinterherlief, und sie kaum noch rechtzeitig bremsen konnte. Ihre Augen und ihre Reaktionsschnelligkeit sind einfach nicht mehr so gut wie früher. Nach der Physio geht sie zur Fußpflege, weil sie selbst nicht mehr an ihre Füße herankommt. Einmal im Monat hängt sie noch einen Friseurbesuch hintendran. Nach den Terminen in der Stadt bringt Sabine sie wieder nach Hause.

Etwa zweimal im Monat kommt Gerdas Enkel Chris zu Besuch und erledigt nötige Arbeiten auf dem Balkon oder kleinere Reparaturen in der Wohnung. Meist erledigt er auch noch ein wenig Putzarbeit, denn an die schwierigen Stellen ganz oben und ganz unten kommt Gerda nicht mehr dran. Manches sieht sie auch nicht mehr so gut. Gerda freut sich aber vor allem deshalb immer sehr auf diesen Besuch, weil ihr Enkel nicht nur wichtige Hilfe leistet, sondern auch immer etwas Abwechslung in ihren zunehmend einsamen Alltag bringt.

Auf die Regelmäßigkeit kommt es an

Das Beispiel von Gerda und ihrer Familie ist typisch für viele Familien in Deutschland. Häufig sind es die Frauen der Familie, die „übrig bleiben“. Und meist sind es die Frauen der nächsten Generation, die – nicht selten zusätzlich zum Job und zur Care-Arbeit für eigene Kinder – zunehmende Unterstützung für ihre Eltern oder Schwiegereltern leisten. Viele machen das gerne und sehen diese selbstverständlichen, kleinen Alltagshilfen gar nicht als Pflege an. Doch Pflege im Sinne des Gesetzes beginnt bereits hier, wenn sich die ersten Anzeichen des Alters zeigen.

Das genannte Beispiel dürfte sehr wahrscheinlich für eine Einstufung in Pflegegrad 1 reichen. (Was genau ein Pflegegrad ist und wie dieser bestimmt wird, lesen Sie weiter unten.) Wenn Gerda einen entsprechenden Antrag stellt, würden ihr jeden Monat 125 Euro zur Verfügung stehen, um kleine Alltagshilfen zu finanzieren. Mit dem Geld könnte sie beispielsweise folgendes bezahlen:

  • Eine Haushaltshilfe, die zweimal im Monat bestimmte Putzarbeiten erledigt.
  • Eine ehrenamtliche Hilfskraft, die sie statt ihrer Tochter in die Stadt fährt und auch mal mit ihr spazieren geht oder ihr einfach zuhause Gesellschaft leistet.

Außerdem würde ihr ein Hausnotruf finanziert werden und sie könnte für 40 Euro im Monat Hilfsmittel zum Verbrauch bezahlen, die sie ohnehin benötigt. Diese kann sie sich entweder im Laden besorgen und die Rechnung bei der Pflegeversicherung einreichen. Oder sie kann eine fertig bestückte Pflegebox ordern. Für das Geld kann sie zum Beispiel folgendes kaufen:

  • Schutzmasken, damit sie sich im Winter beim Einkaufen vor Ansteckung schützen kann
  • Einmalhandschuhe für die Haushaltshilfe
  • Desinfektionsmittel
  • weitere Verbrauchsmittel

Zusätzlich könnte Gerda sich überlegen, ob sie einen Teil ihrer Wohnung umgestalten möchte. Die Pflegekasse stellt für Umbaumaßnahmen, die den Alltag erleichtern, bis zu 4000 Euro zur Verfügung. Davon könnte Gerda zum Beispiel einen Badumbau mit ebenerdiger Dusche (mit)finanzieren.

Welche Hilfen gibt es für den Alltag?

Pflegerische Unterstützung soll Menschen helfen, die ihren Alltag nicht mehr so gut allein bewältigen können. Was benötigt wird, ist individuell und kann sehr vielfältig aussehen. Einige Beispiele sind:

  • Haushaltshilfen, die zum Beispiel staubsaugen, putzen, Wäsche machen oder einkaufen
  • Hilfskräfte von ehrenamtlichen oder professionellen Hilfsdiensten, die zum Beispiel einkaufen, kochen, vorlesen, Botengänge erledigen oder zu Terminen begleiten
  • Menü-Bringdienste, die warme Mahlzeiten bringen
  • Lieferservices von Supermärkten, Bioläden oder Privatanbietern
  • Technische Hilfen, etwa ein Hausnotruf, Herd- und Wasserschutzsysteme, Staubsauger- oder Mäh-Roboter, automatisierte Licht- oder Heizsysteme
  • Pflegekräfte von professionellen Pflegediensten, die zum Beispiel den Blutdruck messen, die richtigen Medikamente rauslegen und bei der Einnahme unterstützen, Stützstrümpfe an- oder ausziehen, Hilfe bei der Körperpflege leisten oder Wunden versorgen
  • Hilfskräfte, die für eine bestimmte Zeit in den Haushalt der pflegebedürftigen Person mit einziehen und Alltagshilfen leisten
  • Angebote von Tagespflege-Einrichtungen, etwa Gesundheitskurse, aber auch gemeinsame Mahlzeiten, Ausflüge und nötige pflegerische Unterstützung

All diese Hilfen sind geeignet, Menschen zu unterstützen, die im Prinzip noch selbstständig in ihrem Zuhause leben können, aber bei bestimmten Tätigkeiten regelmäßig Unterstützung brauchen. Die Pflegeversicherung spricht in diesen Fällen von ambulanten Hilfen. Sie sind die übliche Unterstützung, wenn ein Pflegebedarf neu auftritt.

Woher gibt es Geld und Hilfe bei der Organisation?

Die Pflegeversicherung, in die jeder Bundesbürger einzahlen muss, ist dafür zuständig, allen Menschen in Deutschland finanzielle und organisatorische Leistungen zur Pflege zukommen zu lassen, die sie brauchen. Damit es Geld und Hilfe bei der Organisation gibt, müssen Betroffene einen Antrag stellen. Mithilfe eines gesetzlich festgelegten Verfahrens wird daraufhin überprüft, ob und wie viel Hilfe im Alltag nötig ist. Davon abhängig wird ein Pflegegrad erteilt und je nach Pflegegrad zahlt die Pflegeversicherung anschließend bestimmte Leistungen aus.

Die einzelnen Schritte, wie genau ein Pflegegrad beantragt werden kann, erklärt Sanubi ausführlich im Artikel „Pflegegrad beantragen – Tipps und Checkliste“. Nachfolgend ein Überblick.

Beantragung des Pflegegrads

Möglichst frühzeitig sollte ein Pflegegrad beantragt werden. Denn nur mit Pflegegrad gibt es Leistungen von der Pflegeversicherung. Wird ein Pflegegrad bewilligt, gibt es die Leistungen rückwirkend ab dem Monat der Antragstellung.

Zuständig ist die Pflegeversicherung

Den Antrag muss die pflegebedürftige Person selbst stellen – und zwar bei ihrer Pflegeversicherung. Diese ist bei gesetzlich Versicherten bei der Krankenversicherung angesiedelt. Wer also bei der AOK, Barmer oder TK krankenversichert ist, der ist auch bei der AOK, Barmer oder TK pflegeversichert. Die genaue Adresse können Sie online recherchieren oder bei der Krankenkasse erfragen.

Für den Antrag reicht ein formloses Schreiben mit den Worten „Hiermit beantrage ich Leistungen aus der Pflegeversicherung“. Damit wird der Prozess gestartet. Bei immer mehr Versicherungen lässt sich der Antrag auch online stellen. Angehörige dürfen dabei helfen. Doch verstehen und unterschreiben muss grundsätzlich die pflegebedürftige Person selbst. Jemand anderes darf das nur dann in Vertretung übernehmen, wenn eine entsprechende Vollmacht vorliegt. (Details siehe „Wer berät?“)

Privat Krankenversicherte müssen einen separaten Vertrag für die Pflegeversicherung haben. Bei dieser privaten Pflegepflichtversicherung muss der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden.

Gut zu wissen!

Privatversicherte müssen darauf achten, die richtige Versicherung anzuschreiben. Die Pflegepflichtversicherung ist das Pendant zur gesetzlichen Pflegekasse und kann den Vorgang starten, dass ein Pflegegrad ermittelt wird. Sie ist nicht zu verwechseln mit einer privaten Pflegetagegeld- oder Pflegerentenversicherung. Diese kann von jeder Person zusätzlich abgeschlossen werden, zahlt aber erst dann Geld aus, wenn eine Pflichtversicherung den Pflegegrad festgelegt hat.

Termin zur Begutachtung

Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt hat, bekommt binnen weniger Tage Post von der Pflegeversicherung. Gemeinsam muss ein Termin für die sogenannte Begutachtung gefunden werden. Für diesen Termin kommt eine speziell geschulte Fachkraft zur pflegebedürftigen Person nach Hause – oder bei Bedarf ins Krankenhaus oder in die Reha-Klinik – und stellt dort viele Fragen, die zum gesetzlich festgelegten Verfahren gehören. Das dauert ungefähr 30 bis 60, manchmal auch bis zu 90 Minuten. Zu gesetzlich Versicherten kommt eine Fachkraft vom Medizinischen Dienst, zu Privatversicherten von der Firma Medicproof.

Fragen zu Hilfe im Alltag

Es gibt zum Beispiel Fragen dazu, wie gut sich jemand noch bewegen kann, ob es psychische Probleme oder Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis gibt, wie gut sich jemand selbst waschen, anziehen und versorgen kann, ob bestimmte Medikamente oder andere Therapien verschrieben sind und wie gut die selbstständige Gestaltung des Alltags gelingt. Die Antworten sollen dabei helfen, dass die Fachkraft sich einen Überblick über die Lebenssituation der pflegebedürftigen Person verschaffen kann. Wie bereits erwähnt, ist es für den Pflegegrad nicht entscheidend, dass eine bestimmte Erkrankung vorliegt, sondern ausschließlich, wie selbstständig jemand sein Leben führen kann beziehungsweise wie viel Hilfe jemand im Alltag braucht.

Das Verfahren zur Ermittlung eines Pflegegrads ist für alle – auch privatversicherte – Personen gleich. Die Fragen können Betroffene sich vorher online anschauen und sich so auf den Termin vorbereiten. Dabei geht es nicht darum, die „richtigen“ Antworten zu geben. Sondern entscheidend ist, dass die pflegebedürftige Person der Fachkraft erzählen und zeigen kann, bei welchen Tätigkeiten im Alltag sie Hilfe braucht. Dabei sollten Betroffene wirklich ehrlich sein. Niemand sollte übertreiben, aber man sollte seine Schwächen auch nicht verstecken oder schönreden. Immerhin geht es ja genau darum, dass die Fachkraft nötige Hilfe bewilligen kann.

Unterstützung ausdrücklich erlaubt

Beim Begutachtungstermin ist es üblich, dass ein Verwandter oder eine andere vertraute Person dabei ist. Viele Pflegebedürftige finden es sehr beruhigend, wenn sie diesen Termin nicht allein durchstehen müssen. Außerdem können Angehörige bei der ein oder anderen Frage aushelfen, falls die Betroffenen sich nicht sicher sind.

Gut zu wissen!

In der Regel leistet jemand bereits Hilfe im Alltag und meist ist den Helfenden gar nicht klar, wie viele Kleinigkeiten sie im Laufe der Zeit bereits übernommen haben. Daher ist es sehr empfehlenswert, vor der Begutachtung für einige Tage oder besser Wochen eine Art Unterstützungstagebuch zu führen. Schreiben Sie einmal alle Hilfsleistungen akribisch auf, die mittlerweile anfallen. Das hilft dabei, die Fragen der Fachkraft angemessen zu beantworten.

Die Pflegefachkraft soll nicht nur begutachten, sondern auch beraten, etwa zu Hilfsmitteln. Wer zum Beispiel mit Hilfsmitteln wie einem Rollator, einem speziellen Bett oder ähnlichem seinen Alltag leichter bewältigen könnte, kann direkt entsprechende Anträge dafür stellen. Wird ein Pflegegrad bewilligt, finanziert die Kasse nämlich auch viele Hilfsmittel vollständig oder hauptsächlich mit.

Festlegung des Pflegegrads

Im Anschluss an den Begutachtungstermin schickt die Pflegefachkraft ihre Notizen an die zuständige Pflegeversicherung. Diese legt daraufhin einen Pflegegrad zwischen 1 und 5 fest oder lehnt ihn ab.

Eine Entscheidung muss die Versicherung relativ zügig fällen. Vom Tag des formlosen Antrags bis zur Entscheidung dürfen maximal fünf Wochen vergehen. In dringenden Fällen, etwa wenn jemand im Krankenhaus behandelt wird und anschließend voraussichtlich erstmalig oder deutlich mehr Pflege brauchen wird, muss die Versicherung innerhalb von ein bis zwei Wochen entscheiden. Braucht sie länger, muss sie für jeden Tag der Verzögerung eine Entschädigung an die pflegebedürftige Person auszahlen. In der Regel entscheidet die Versicherung aber innerhalb der Frist.

Widerspruch

Wer mit der Entscheidung der Pflegeversicherung unzufrieden ist, kann binnen eines Monats dagegen Widerspruch einlegen. Eine Begründung kann nachgereicht werden. Dabei sollte man sich von Fachkundigen unterstützen lassen, damit der Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat. Neben den Pflegeberatungsstellen können auch bestimmte Verbraucherzentralen sowie Verbände unterstützen. Details und einen Musterbrief finden Sie im Artikel „Widerspruch Pflegegrad: Fristen, Begründung und Checkliste“. Erfahrungsgemäß führen mehr als die Hälfte aller Widersprüche zum Erfolg.

Pflegegrad vorhanden?

Nutzen Sie Ihr Anrecht auf Pflegehilfsmittel zum Verbrauch im Wert von 42 € monatlich (Neuer Stand 2025).

Jetzt kostenlos Pflegehilfsmittel beantragen
Pflegehilfsmittel box

Zeit schaffen

Damit Angehörige sich informieren und die nötigen Anträge stellen können, braucht es ein paar Tage Zeit. Wer berufstätig ist und womöglich noch Kinder zu versorgen hat, stößt zeitlich schnell an seine Grenzen. Zumindest in Bezug auf den Job gibt es dafür eine kurzfristige Lösung: Alle Arbeitnehmer können von heute auf morgen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung einreichen. Dann wird man zehn Tage von der Arbeit freigestellt, um die Pflege für einen nahen Angehörigen organisieren zu können.

Gut zu wissen!

Die zehn Tage gelten pro pflegebedürftiger Person. Wenn sich also beispielsweise Bruder und Schwester jeweils ein paar Tage frei nehmen wollen, um die Pflege für ihren Vater gemeinsam zu organisieren, können sie sich die zehn Tage beliebig aufteilen und sie entweder gleichzeitig oder hintereinander nutzen.

Die Vorgesetzten dürfen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nicht verweigern. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch. Allerdings gibt es während der Arbeitsfreistellung nur dann weiterhin das normale Gehalt, wenn es eine entsprechende Betriebsvereinbarung gibt. Ansonsten können Arbeitnehmer einen Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld stellen, das einen Großteil des ausgefallenen Nettogehalts abpuffert. Der Antrag muss bei der Pflegeversicherung der Person eingereicht werden, für die die Pflege organisiert wird. Im genannten Beispiel also bei der Pflegeversicherung des Vaters.

Innerhalb der Zeit der Arbeitsverhinderung können dann die ersten wichtigen Schritte in die Wege geleitet werden, um eine gute pflegerische Unterstützung zu organisieren.

Was zahlt die Pflegeversicherung?

Wie viel Geld es pro Monat von der Pflegeversicherung gibt, hängt vom Pflegegrad ab. Und davon, wie sich Pflegebedürftige ihre Hilfen zusammenstellen. Jede Person kann und muss sich nämlich aus verschiedenen Töpfen die für sie individuell nötigen (und vor Ort verfügbaren) Leistungen zusammenstellen.

In Pflegegrad 1 gibt es grundsätzlich Basisleistungen. Ab dem Pflegegrad 2 können Pflegebedürftige das volle Leistungsspektrum nutzen. In den höheren Pflegegraden steigen dann lediglich die maximal möglichen Auszahlungen. Im mittleren Pflegegrad 3 zahlt die Versicherung zum Beispiel insgesamt bis zu 2900 Euro im Monat für regelmäßige Pflege- und Unterstützungsleistungen. Jährliche Extra- und weitere Einmalzahlungen können je nach Situation noch zusätzlich beantragt werden. Im höchsten Pflegegrad 5 sind mehr als 4300 Euro pro Monat plus Extraleistungen möglich, wenn sich jemand zuhause unterstützen lässt. Für das Leben im Pflegeheim gelten separate Sätze.

Pflegegeld und -sachleistung

Die beiden monatlichen Hauptleistungen sind das Pflegegeld und die Pflegesachleistung. Das Pflegegeld können sich Pflegebedürftige einfach auszahlen lassen und selbst über die Verwendung entscheiden. Die höheren Beträge der Pflegesachleistung gibt es für professionelle Unterstützung durch einen Pflegedienst.

Pflegegrad 1
Pflegegrad 2
Pflegegrad 3
Pflegegrad 4
Pflegegrad 5
Pflegegeld 0 347 599 800 990
oder
Sachleistung * 796 1497 1859 2299

*Anspruch nur über Entlastungsbetrag

Beide Leistungen können auch miteinander kombiniert werden. Dann wird anteilig aus beiden Töpfen so viel ausbezahlt, dass beides gemeinsam 100 Prozent der möglichen Leistungen für den eigenen Pflegegrad ergeben. Wer also zum Beispiel in Pflegegrad 2 pro Monat 456 Euro für den Pflegedienst braucht, hat nur 60 Prozent der Pflegesachleistung ausgeschöpft und kann sich noch 40 Prozent von 332 Euro, also 133 Euro, als Pflegegeld zur freien Verfügung auszahlen lassen.

Weitere ambulante Leistungen gibt es grundsätzlich zusätzlich. Möglich sind folgende:

Pflegegrad 1
Pflegegrad 2
Pflegegrad 3
Pflegegrad 4
Pflegegrad 5
Entlastungsbetrag (Alltagshilfen) 131 131 131 131 131
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch 42 42 42 42 42
Extraleistung für Pflege-WGs 224 224 224 224 224
Tages- und Nachtpflege * 721 1357 1685 2085

*Anspruch nur über Entlastungsbetrag

Jährliche Zusatzleistungen sowie Leistungen bei Bedarf sind ebenfalls möglich. Details erfahren Sie unter den Stichpunkten:

Diese Extras müssen grundsätzlich zusätzlich beantragt werden. Teilweise geht das nur vorher, teilweise auch im Nachhinein. Lassen Sie sich dazu am besten individuell beraten.

Unterstützung auch für Pflegende

Die Pflegeversicherungen zahlen nicht nur Leistungen für Pflegebedürftige aus, sondern unterstützen auch Familienangehörige oder Ehrenamtliche, die Pflege- und Hilfsaufgaben übernehmen. Zum einen finanzieren die Versicherer neutrale und individuelle Beratungen sowie Pflegekurse, in denen Interessierte lernen können, wie sie gute Pflege leisten. Zum anderen zahlen die Versicherer auch konkrete Unterstützungsleistungen für Pflegende aus. Dazu gehören auch Beiträge für die Unfall- und die Rentenkasse. Wenn Pflegende sich bei der Pflegeversicherung registrieren, (ein entsprechender Antrag wird üblicherweise mit dem Pflegegrad-Bescheid verschickt,) sind sie unfallversichert.

Sobald jemand mindestens zehn Stunden pro Woche an pflegerischer Unterstützung leistet, wobei zum Beispiel auch Einkaufen für eine pflegebedürftige Person dazu zählt, zahlt die Pflegeversicherung außerdem auf Antrag einen Zuschuss in die Rentenkasse. Denn insbesondere Frauen treten oft im Beruf kürzer, um in der Familie helfen zu können, und haben dadurch nicht nur akute finanzielle Einbußen, sondern zahlen auch weniger Geld auf ihr Rentenkonto ein. Das will die Pflegeversicherung zumindest teilweise abpuffern. Je nach Situation steigt die spätere monatliche Rente somit um 6 bis 35 Euro pro Jahr Pflege, das geleistet wird.

Exkurs: Stationäre Leistungen

Das Gegenstück zu ambulanten sind sogenannte stationäre Leistungen. Damit ist in der Regel gemeint, dass jemand in ein Pflegeheim oder eine andere Wohnform mit integrierter Pflege umzieht. Dort müssen die einzelnen Hilfen dann nicht mehr separat organisiert werden, sondern Pflegebedürftige erhalten alle nötigen Hilfen, die sie brauchen, von festangestellten Pflege- und Unterstützungskräften. Details erfahren Sie im Artikel „Stationäre Pflege – Ansprüche und Kosten für Pflegeeinrichtungen“.

Eine Art Zwischenform sind Pflege-Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen, manchmal auch Wohnen mit Service genannt. In beiden Fällen ziehen Pflegebedürftige zwar in ein neues Zuhause um, entweder in eine WG mit weiteren Pflegebedürftigen oder in eine kleine Wohnung innerhalb eines Wohnkomplexes, der Hilfe und Pflege im Alltag anbietet, und es gibt einen festen Anbieter, der Unterstützung im Alltag leistet. Die Hilfsleistungen sind aber dennoch ambulante Leistungen, die individuell hinzugebucht werden können und müssen.

Wer berät?

Alle Menschen, die pflegebedürftig sind oder aktuell oder perspektivisch Pflege und Unterstützung für jemanden organisieren möchten, haben einen Anspruch auf eine kostenlose, neutrale und individuelle Pflegeberatung. Diese muss flächendeckend angeboten und von den Pflegekassen finanziert werden. Wo es eine Beratung in der Nähe gibt, können Sie in der Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege herausfinden.

Die Berater wissen, wie ein Pflegegrad beantragt wird, können individuelle Fragen beantworten und wissen, welche professionellen und ehrenamtlichen Hilfen es in der Umgebung gibt. Bei Bedarf helfen sie bei Anträgen und können auch zu Spezialisten verweisen, wenn es besonderen Beratungsbedarf gibt. Details zu den Beratungen erfahren Sie im Artikel „Pflegestützpunkt – Zentrale Anlaufstelle für Pflegebedürftige und Angehörige“.

Bei Interesse ist auch eine Beratung möglich, wenn Angehörige beruflich kürzertreten wollen, um Pflege-Arbeiten selbst zu übernehmen. Unter bestimmten Bedingungen können Arbeitnehmer dann nämlich von sogenannten Pflegezeiten profitieren, die Vorgesetzte nicht verweigern dürfen. Wird eine Auszeit oder Pflege-Teilzeit vereinbart, besteht außerdem ein spezifischer Kündigungsschutz, eine Möglichkeit auf Ausgleichszahlungen sowie ein Rückkehrrecht auf die alte Stundenzahl. Weitere Informationen zu Pflegezeiten bietet der Artikel „Pflegezeit – Anforderungen, Beantragung und Kostenübernahme“ .

Wenn jemand zunehmend Hilfe im Alltag braucht, kann es auch hilfreich sein, wenn erwachsene Kinder oder gute Freunde bestimmte Aufgaben und Anträge übernehmen dürfen, statt nur dabei zu assistieren. Um aber beispielsweise Anträge bei der Krankenkasse stellen oder im Auftrag Überweisungen tätigen zu dürfen, ist eine offizielle Befugnis nötig. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Eine Vollmacht oder eine Betreuung. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Wer sich dazu beraten lassen möchte, kann eine kostenlose und individuelle Beratung bei einem Betreuungsverein erhalten. Für Angebote in Ihrer Nähe geben Sie einfach das Stichwort „Betreuungsverein“ plus Wohnort in eine Suchmaschine ein.

Zusätzlich können alle Menschen, die jemanden pflegen oder perspektivisch pflegen werden, einen Pflegekurs besuchen. Dort können Interessierte lernen und praktisch üben, wie man jemanden möglichst gut versorgt. Praktisches Wissen über Erkrankungen, den Umgang mit Hilfsmitteln und zur Bewältigung von körperlichen und psychischen Herausforderungen gehören ebenso dazu wie konkrete Techniken, um zum Beispiel jemanden aus dem Bett in den Rollstuhl zu heben, ohne sich selbst oder die pflegebedürftige Person zu schädigen. Verschiedene Anbieter bieten Pflegekurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten an – teils online, teils vor Ort. Die Pflegeversicherungen bezahlen die Kurse, sodass sie für Teilnehmende kostenlos sind. Wo es Pflegekurse gibt, erfahren Sie online oder in einer Beratung beim Pflegestützpunkt.

FAQ: Häufige Fragen zum Pflegefall