Multiple Sklerose, kurz MS, löst nach der Diagnose bei Betroffenen und Angehörigen oft große Verunsicherung hervor. Wichtig zu wissen: Nicht jeder mit MS wird zum Pflegefall. Pflegen Sie jedoch einen Angehörigen mit MS, so geben wir Ihnen in diesem Artikel wertvolle Tipps.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Verlauf von MS ist sehr individuell und mit ihm natürlich auch der Pflegebedarf.
- Der psychische Aspekt sollte bei MS auf jeden Fall berücksichtigt werden.
- Der Pflegebedarf kann auch schub- und tagesformabhängig sein.
- Es ist sinnvoll, zusätzlich zum Pflegegrad auch einen Grad der Behinderung zu beantragen.
Was ist Multiple Sklerose (MS)?
Multiple Sklerose, abgekürzt mit MS, ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem das schützende Gewebe um die Nervenzellen angreift und zerstört. Je nachdem welche Nervenbahnen betroffen sind, können verschiedene Symptome auftreten. Bei manchen geht der Prozess schleichend voran, bei anderen verläuft er in Schüben und die Symptome können teilweise sogar wieder verschwinden. Die Erkrankung ist nicht heilbar, mit Medikamenten kann sie jedoch verlangsamt und abgeschwächt werden.
Ursachen, Symptome und Behandlung
Die Ursachen für die autoimmune Erkrankung sind nicht abschließend geklärt, jedoch kennt man heute einige Risikofaktoren. Hierzu zählen zum Beispiel die genetischen Prädispositionen, Rauchen und Übergewicht. Auch Infektionen stehen im Verdacht, MS auszulösen. Auffällig ist außerdem, dass in Ländern mit mehr Sonne und damit einer höheren Vitamin-D-Verfügbarkeit für die Menschen, MS seltener vorkommt. Vitamin-D-Mangel ist also möglicherweise ebenfalls ein Faktor.
Die Symptome bei MS sind vielfältig und für jeden unterschiedlich. Häufig sind zum Beispiel Taubheitsgefühle der Haut, plötzliche Sehstörungen, Müdigkeit und Mattheit, Nervenschmerzen und Schmerzen im Auge.
Besteht der Verdacht auf MS ordnen Ärzte eine Reihe diagnostischer Verfahren an, zum Beispiel bildgebende Verfahren, neurophysiologische und laborchemische Untersuchungen. Steht die Diagnose MS fest, geht es in der Behandlung vor allem darum, den Verlauf medikamentös zu verlangsamen und abzumildern, zum Beispiel durch Immunsuppression, sowie die Symptome zu lindern. Dazu kann zum Beispiel die Schmerzbehandlung und die Behandlung der Spastik zählen, die auch Einfluss auf die Pflege bei MS nimmt.
Detaillierte Informationen zu Ursachen, Symptomen und Behandlung von MS finden Sie in unserem Ratgeber Multiple-Sklerose.
Gut zu wissen!
Kaum eine andere Erkrankung verläuft so individuell. Betroffene sollten sich zwar informieren, jedoch nicht verängstigen lassen. MS ist heute gut behandel- und kontrollierbar.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei MS?
In der medikamentösen Therapie unterscheiden Ärzte zwischen der Schubtherapie und der immunprophylaktische Therapie. Bei der Schubtherapie geht es darum, die Symptome während eines Schubes im Griff zu halten und die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern. Bei der immunprophylaktischen Therapie ist darauf ausgerichtet, die Verlauf der MS zu verlangsamen.
Bei körperlichen Einschränkungen sind Physiotherapie und Ergotherapie ebenfalls angebracht, um Symptome wie etwa Spastiken zu lindern, aber auch Alltagsfähigkeiten möglichst lange zu erhalten oder sie sogar wiederzuerlangen. Diese Therapien haben meist einen direkten Einfluss auf den Pflegeaufwand, der dann im Idealfall geringer ausfällt.
Viele Betroffene profitieren auch von einer psychotherapeutischen Therapie. MS wird oft begleitet von Depressionen und sozialen Ängsten.
Die Pflege zuhause bei MS
Die Pflege bei MS ist sehr individuell und sollte immer auf die jeweilige Situation angepasst werden. Die folgenden Tipps geben aber einen ersten Einblick darauf, was Sie in der Pflege von MS erwarten können.
Körperpflege
Bei der Körperpflege kommt es darauf an, wie weit die Krankheit schon fortgeschritten ist und wie stark die damit verbundenen körperlichen Einschränkungen sind. In der Regel können Betroffene die Körperpflege aus körperlicher Sicht noch lange selbst leisten und pflegende Angehörige müssen oft nur unterstützen.
Allerdings spielt gerade bei der Körperpflege auch die psychische Verfassung des Betroffenen eine Rolle. Depressionen können dazu führen, dass die Körperpflege vernachlässigt wird. Als Angehöriger sollten Sie hier motivierend, jedoch nicht wertend oder bevormundend wirken. Übersehen Sie den Menschen hinter der Erkrankung nicht und informieren Sie sich über das Thema Depression.
Psychische Unterstützung
Zukunftsängste, Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Situation, Depressionen aber auch Persönlichkeitsveränderungen und Entzündungsherde im Gehirn machen vor allem die psychische Unterstützung in der häuslichen Pflege zu einer Herausforderung. Wir empfehlen, hier zeitgleich Unterstützung in der Psychotherapie zu suchen.
Auch als pflegender Angehöriger können Sie an Ihre Grenzen geraten. Es gibt eine Reihe von Beratungsstellen und Sorgen-Hotlines, die Sie unterstützen können. Die Website Trotz-MS.de setzt sich für pflegende Angehörige ein und unterstützt diese in ihrem psychischen Wohlbefinden.
Ernährung
Viele Menschen, die von MS betroffen sind, leiden unter Verstopfung. Diese Begleiterscheinung wird gerade in Schüben durch die mangelnde Bewegung aufgrund der Schmerzen oft noch verstärkt. Eine ballaststoffreiche Kost ist deswegen wichtig.
Zusätzlich haben vermutlich einige Bestandteile in Nahrungsmitteln einen Einfluss auf entzündliche Prozesse im Körper, wie sie auch bei MS vorkommen. Die genauen Zusammenhänge sind wissenschaftlich noch nicht abschließend belegt und geklärt, einige Diätologen empfehlen aber, besonders auf Fette und Antioxidantien zu achten, sowie auf Vitamine, die bekannt dafür sind, entzündliche Prozesse im Körper einzudämmen. Dazu zählen zum Beispiel Vitamin C, E und ß-Carotin (Beta-Carotin).
Antioxidantien binden im Körper freie Radikale, die andernfalls Entzündungsherde begünstigen. Besonders reich an Antioxidantien sind pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte.
Gut zu Wissen!
Sehr reich an den wertvollen Antioxidantien ist sogenanntes „Ampel-Gemüse“, also Gemüse, dass rot, gelb oder grün ist. Dazu zählen zum Beispiel Spinat, Tomaten und Karotten.
Unvorhersehbarkeit in der täglichen Pflege
Eine große Herausforderung in der Pfleg bei MS ist die geringe Planbarkeit beim Verlauf der Krankheit. Ohne Vorwarnung können sehr schlechte Tage mit starken Schmerzen auftreten und auf der anderen Seite an einem Tag auch wieder einige Symptome verschwinden. Sich darauf einzustellen bedarf sowohl für die pflegenden Angehörigen als auch für den Betroffenen ein hohes Maß an mentaler Flexibilität und Belastbarkeit.
Unser Tipp: Nutzen Sie die guten Tage für spontane Unternehmungen und Ausflüge, wenn dies möglich ist. So sammeln Sie auch Kraft für die schwierigen Tage und fühlen sich weniger hilflos. Finden Sie außerdem heraus, was an den schlechten Tagen psychisch und physisch aufbaut. Das können zum Beispiel Wärmebehandlungen sein, wenn die Spastik bei MS sich verschlimmert, oder aber auch einmal ein paar ruhige Momente, in denen Sie etwa gemeinsam einen schönen Film schauen oder andere Dinge tun, die seelisch stabilisierend wirken. Hier ist jeder Mensch unterschiedlich. Es kann helfen, wenn Sie gemeinsam eine kleine Liste erarbeiten, mit Dingen, die an schwierigen Tagen guttun könnten.
Tipps zum Umgang mit MS – für Betroffene
- Versuchen Sie sich auch mit Mobilitätseinschränkungen viel zu bewegen. Damit dies gelingt, ist eine gute Versorgung mit Gehhilfen wichtig.
- Körperliche Aktivität kann Müdigkeit und Spastiken reduzieren und die Denkleistung fördern.
- Machen Sie zwei- bis dreimal die Woche Ausdauertraining von jeweils 40 Minuten.
- Einige MS-Betroffene profitieren von Entspannungstechniken, wie zum Beispiel Bio-Feedback.
- Isolieren Sie sich nicht. Suchen Sie den sozialen Kontakt. Bleiben Sie auch so lange wie möglich berufstätig. Verschiedene Reha-Träger können Ihnen den Berufsalltag erleichtern.
Tipps zum Umgang mit MS – für Angehörige
- Informieren Sie sich ausführlich über die Krankheit.
- Nehmen Sie Pflegekurse speziell für MS von Ihrer Krankenkasse in Anspruch. Diese kann sie dahingehend beraten.
- Bleiben Sie positiv. Auch mit MS haben Sie und Ihr Angehöriger noch viele schöne Momente im Leben.
Welcher Pflegegrad bei MS?
Der Pflegegrad richtet sich immer nach Ihrer jeweiligen Situationen und den verbliebenen Fähigkeiten sowie dem Unterstützungsbedarf im Alltag. Demnach ist von Pflegegrad 1 bis 5 alles möglich. Der Pflegegutachter wird Ihre Situation prüfen und eine entsprechende Empfehlung an Ihre Pflegekasse schicken.
Wichtig ist gerade bei MS, dass Sie eine regelmäßige Neubegutachtung einfordern. Führen Sie ein Pflegetagebuch, um frühzeitig zu erkennen, wenn der Pflegeaufwand steigt und Sie eine Höhereinstufung für sinnvoll halten.
Gut vorbereitet für die Pflegegrad-Begutachtung
Einen ersten Eindruck davon, welcher Pflegegrad Ihnen zustehen könnte, bekommen Sie mit unserem Pflegegrad-Rechner. Diesen und viele weitere Informationen zu Pflegegraden finden Sie im Ratgeber Pflegegrade.
Pflegegrad bei MS beantragen
Genau wie bei Pflegebedarf aus jedem anderen Grund, stellen Sie auch bei MS zunächst einen Antrag auf einen Pflegegrad. Dazu reicht ein formloses Schreiben an die Pflegekasse. Diese sendet dann einen unabhängigen medizinischen Gutachter. Bei gesetzlich Versicherten ist dies der Medizinische Dienst, auch bekannt als MD, und bei privat Versicherten MEDICPROOF.
Schon vorher den Pflegeaufwand einschätzen
Führen Sie für mindestens zwei Wochen vor der Begutachtung ein Pflege-Tagebuch, in dem Sie alle unterstützenden Tätigkeiten eintragen. So können Sie Ihren eigenen Pflegeaufwand gut abschätzen. Es kann auch sinnvoll sein, eine Kopie des Pflegetagebuchs dem Pflegegutachter zur Verfügung zu stellen.
Welche Leistungen bei MS?
Die Leistungen in der häuslichen Pflege bei MS richten sich nach ihrem Pflegegrad. Ab Pflegegrad zwei steht Ihnen das monatliche Pflegegeld zu.
Pflegegrad | Pflegegeld |
---|---|
Pflegegrad 2 | 316 € |
Pflegegrad 3 | 545 € |
Pflegegrad 4 | 728 € |
Pflegegrad 5 | 908 € |

Pflegegrad bei Multiple Sklerose
Zusätzlich kann es gerade bei einer zunehmend eingeschränkten Mobilität sinnvoll sein, einen Grad der Behinderung zu beantragen. Damit haben Sie ggf. Anspruch auf steuerliche Nachteilsausgleiche.
Pflegebox für pflegebedürftige in häuslicher Pflege
Ihnen stehen Pflegehilfsmittel zu, wenn Sie einen Angehörigen pflegen. Die Kosten für diese Pflegehilfsmittel übernimmt die Pflegekasse. Mit der Pflegebox liefern wir Ihnen die Pflegehilfsmittel bequem nach Hause und übernehmen bei gesetzlich versicherten auch die Abrechnung mit der Pflegekasse.
Was zahlt die Krankenkasse bei MS?
- Sind Sie berufstätig, festangestellt und länger als 6 Wochen krank, zahlt die Krankenkasse Krankengeld.
- Mit MS gelten Sie als chronisch krank. Überschreiten die Zuzahlungen für Medikamente, Therapien und Klinikaufenthalte die festgelegte finanzielle Belastungsgrenze, können Sie sich von der Zuzahlung befreien lassen.
- Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für verschriebene Medikamente und Therapien.
- Auch die Kostenübernahme von Gehhilfen obliegt der Krankenkasse, sofern Ihr Arzt oder Ihre Ärztin ein Rezept ausstellen.
- Auch bei Inkontinenzartikeln können die Kosten übernommen werden.